Der Fälscher, die Spionin und der Bombenbauer: Roman (German Edition)
Maschinenpistolen kontrollierten die Passierscheine und warfen stumme Blicke in den Bus. Dann gab ein Sergeant das Signal zum Weiterfahren.
Als der Bus vor dem ehemaligen Schulhaus anhielt, stand Oppenheimer bereit, die Ankömmlinge zu begrüßen. Er klopfte den Männern auf die Schultern und fragte ihre Frauen, wie die Reise gewesen sei, sagte »ja … ja, ja … ja« und bot reihum sein Feuerzeug an, und dann winkte er Soldaten herbei, die das Gepäck übernahmen und allen ihre Unterkünfte zuwiesen.
Felix und Lore Bloch wohnten unweit des Wasserturms in Apartment House T 124 , einem zweistöckigen, rasch errichteten und lindengrün gestrichenen Holzhaus mit vier Wohnungen. In den Küchen standen rußende Holzherde aus Armeebeständen. Die Wohnzimmer waren einheitlich karg eingerichtet, die Schlafzimmer mit Feldbetten ausgestattet. Auf den Decken und Laken prangte schwarz der Aufdruck » USED «, was für »United States Engineer Detachment« stand.
Einsam waren Felix und Lore Bloch nicht in Los Alamos. Die Wände waren dünn, die Nachbarn dahinter alte Freunde. Neben ihnen im Erdgeschoss wohnte Edward Teller, der für Felix im Leipziger Pingpongkeller Tee gekocht und in Berkeley zuvor das geheime Sommerseminar mit seiner Vision eines Weltenbrandes erschreckt hatte. Im Obergeschoss hatte sich der Physiker Robert Brode einquartiert, den Felix schon als Student in Göttingen und später in Berkeley als Mitglied des »Monday Evening Journal Club« kennengelernt hatte. Ganz in der Nähe wohnten auch Robert Oppenheimer und Hans B eth e, etwas weiter entfernt der Zürcher Physiker Hans Staub und der Mathematiker John von Neumann, mit denen Felix an der ETH studiert hatte.
Die meisten waren mit ihren Ehefrauen angereist, viele mit ihren Kindern, und allen war klar, dass sie in Los Alamos zu Geheimnisträgern ersten Ranges geworden waren und bis Kriegsende zu bleiben hatten. Der Altersdurchschnitt lag bei neunundzwanzig Jahren, es gab kaum jemanden über vierzig; die Geburtenrate lag in Los Alamos während der gesamten Kriegsjahre weit über dem Landesdurchschnitt. Oppenheimer und Bloch gehörten mit Serber und B eth e zu den Ältesten, zumindest bis zur Ankunft von Enrico Fermi und Niels Bohr.
Alle waren zum Arbeiten gekommen, es gab in Los Alamos keine Pensionierten und keine Kranken, keine Flaneure, Künstler oder Spekulanten, keine Tunichtgute, Parasiten und Taschendiebe, keine Simulanten, Erbschleicher und Drückeberger. Morgens um sieben Uhr heulten die Sirenen, dann eilten die Männer in die Labors, die sich an den Rändern der Siedlung in streng abgeschirmten Bezirken befanden. Die Kinder gingen zur Schule oder wurden in die Krippe gebracht, die Frauen arbeiteten in Verwaltungsbüros, Kantinen, Bibliotheken oder Schulen. Es herrschte eine Stimmung wie im Sommercamp.
Täglich trafen neue Fachleute ein, täglich schleppten Armeetransporter tonnenschwere Apparaturen aus den entferntesten Winkeln der USA herbei; allein im Monat Juli kamen die vier leistungsfähigsten und größten Teilchenbeschleuniger der Welt in Los Alamos an und wurden in eigens errichteten Baracken auf eigens gegossene Betonfundamente gestellt.
Felix Bloch arbeitete mit Edward Teller und John von Neumann an einem Zündmechanismus, bei dem das radioaktive Isotop als Hohlkugel geformt und mittels Implosion sehr rasch sehr hoch verdichtet wurde, um die kritische Masse für eine vollständige Kettenreaktion ohne vorzeitige Detonation zu erreichen. Ihre Aufgabe war es, theoretisch zu ermitteln und dann experimentell zu beweisen, dass das möglich war. Die Berechnung der aus allen Richtungen nach innen gehenden Druckwellen erwies sich als mathematisch äußerst schwierig und dauerte, weil noch keine Rechenmaschinen zur Verfügung standen, mehrere Wochen.
Als das Rechnen erledigt war, folgte der experimentelle Nachweis. Felix Bloch und seine Kollegen fertigten kleine Bomben aus metallenen, von Sprengstoff umgebenen Hohlkugeln, trugen sie hinunter in einen steil abfallenden Canyon und legten sie auf eine Platte aus schwerem Eisenbeton. Dann gingen sie hinter einem eigens für sie eingerichteten Geschützstand in Deckung und hielten sich die Ohren zu.
Nachdem das Echo des Donners zwischen den Felswänden verhallt war und der Rauch sich verzogen hatte, kamen sie wieder hervor und sammelten die Trümmer der Metallkugel ein. Die ersten Versuche waren entmutigend. Die Kugeln wurden durch die Detonation nicht gleichmäßig zusammengepresst, sondern zu
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