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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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warum sein Sohn ein Buch über die Geschichte des antiken Roms haben will.

Vergessene Akten
    Donnerstag, 17.   Juni 1948
    Im Büro auf dem stillen Flur in der Kripo-Zentrale blättert Stave durch seinen Block, entziffert seine Kritzeleien vom Vortag. Nicht gerade das, was einem eine Beförderung einbringt.
    Erstaunt blickt er auf, als jemand an seine Tür klopft. Kienle.
    »Ich erinnere mich wieder!«, ruft er.
    »An Ihren richtigen Namen? Sie sind gar nicht Ansgar Kienle, sondern Martin Bormann, der verschollene Sekretär des Führers. Soll ich Sie verhaften?«
    »Man sollte Ihre Abteilung in ›Chefamt SS‹ umbenennen«, erwidert der Polizeifotograf, »für ›schlechte Scherze‹. Ich erinnere mich wieder an den Bronzekopf aus den Trümmern. Die Frau.«
    »Ein Porträt der Anni Mewes, Filmschauspielerin. Geschaffen vom Künstler Toni Weber. Ich bin weitergekommen.«
    Sein Besucher stutzt. »Dann ist das vielleicht nicht mehr so wichtig«, murmelt er. »Obwohl es schon ungewöhnlich ist.«
    »Erzählen Sie es mir.«
    »Der Kopf war im Kino.«
    »Die Mewes war Schauspielerin.«
    »Nein, nicht die Frau. Dieser Bronzekopf, die Skulptur. Ich habe sie im Kino gesehen, muss Ende der Dreißiger gewesen sein. Ich weiß nicht mehr, in welchem Film. Aber ich weiß, dass ich im Lichtspielhaus saß und dieser Kopf in einer Szene groß gezeigt wurde und ich damals dachte, dass es eigentlich schade ist, solche Sachen nur noch in Filmen zu sehen und nicht mehr im Museum.«
    Stave schließt die Augen. »Ich bin ein Idiot«, murmelt er. Als Weber ihm die Sache mit der Requisite und dem Propagandafilm erzählt hat, dachte er an eines der üblichen Machwerke für die Wochenschau. Ein Beitrag über »Entartete Kunst«, höhnische Worte, ein paar Filmaufnahmen, dann Goebbels oder der Führer. Nicht eine Sekunde lang ist ihm ein Kinofilm in den Sinn gekommen. »Sie sind der beste Spurensucher der Hamburger Kriminalpolizei«, lobt der Oberinspektor.
    »Ich bin der einzige«, erinnert ihn Kienle gelassen.
     Stave weiß nun, was er Toni Weber eigentlich schon gestern hätte fragen sollen: Ob er mehr über diesen Film sagen kann, in dem sein Bronzekopf Requisite gewesen ist. Der Oberinspektor hat sich so sehr auf eine mögliche Verbindung des Künstlers zu Schramm konzentriert, dass er die andere Information zwar notiert, aber nicht wirklich durchdacht hat.
    Film, Kino – das ist für den Kripo-Mann noch immer Berlin, Ufa, Hauptstadtglanz. Längst vorbei. Hamburg ist die neue Kinostadt – viel schäbiger zwar als die alte Kapitale, aber immerhin. Leute wie Weber sind seit 1945 von der Spree an die Elbe gekommen, weg von den Russen. Sein ehemaliger Kollege Michel hat ausgesagt, dass Weber wieder als Requisiteur arbeitet, doch jetzt bei Käutner in Hamburg.
    Es muss hier noch mehr Überlebende der Ufa geben. Wenn Käutner einen Film hier produzieren kann, dann muss er etliche erfahrene Leute dafür eingestellt haben. Wer weiß: Vielleicht hat einer von ihnen auch an eben jenem Propagandafilm mitgearbeitet, in dem der Bronzekopf zu sehen war? Vielleicht gar als Requisiteur – der die Skulptur besorgt und sie danach an irgendwen wieder abgegeben haben muss.
    Stave stürmt aus seinem winzigen Büro, will wie in den Zeiten bei der Mordkommission Erna Berg zurufen, dass er zu Ermittlungen unterwegs sei – und besinnt sich gerade noch rechtzeitig, dass da keine Sekretärin mehr vor seiner Tür in einem Vorzimmer sitzt. Vorbei an geschlossenen Bürotüren, über die Treppe hinab zum Fuhrpark.
    »Ich brauche ein Auto«, ruft er dem Mechaniker zu.
    »Brauchen wir nicht alle ein Auto?« Der Mann zögert eine Winzigkeit. Das hätte er nicht gemacht, wenn ich noch bei der Mordkommission wäre, denkt der Oberinspektor, schluckt jedoch seinen Groll hinunter. »Ich muss raus bis Fuhlsbüttel, zu den Ley-Hütten an der Langenhorner Chaussee.«
    »Zu dem Gesindel? Da brauchen Sie nicht nur einen Peterwagen, sondern auch ein paar Schupos.«
    »Es ist helllichter Tag.«
    »Ich habe nur einen Vorkriegs-Mercedes da, bei dem wir den Telefunken-Kasten gerade ausgebaut haben. Niemand aus der Leitstelle kann Sie erreichen.«
    »Dann stört mich niemand beim Fahren.«
    »Und wenn Sie in Schwierigkeiten kommen?«
    »Ich habe meine Dienstwaffe dabei«, lügt Stave. Tatsächlich hängt die FN 22 im Holster am Garderobenhaken in der Wohnung.
    »Schießen Sie mir keine Löcher ins Blech.«
    »Eines mehr oder weniger, das fällt bei diesem Auto auch nicht mehr

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