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Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Fälscher: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Rademacher
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ich erleichtert, dass es nur so ein armseliger Kerl ist.«
    »Armselig, ja«, murmelt Stave.
    »Sie kennen ihn?«
    »Ein Nachbar. Ein armes Schwein.« Er erzählt auch diesen Teil der Geschichte.
    »Na los, heraus damit!«, fordert ihn der Lieutenant auf, als er geendet hat.
    »Heraus mit was?«
    »Alter Junge, ich kenne Sie so gut wie Ihr Badezimmerspiegel. Sie machen mir nichts vor. Sie wollen, dass ich mich für diesen Flasch einsetze.«
    »Sie haben gewisse Verbindungen.«
    »Aber Sie haben den Kerl verhaftet und die Sache schon an den Ankläger abgegeben.«
    »Es ging nicht anders. Ich war nicht allein.«
    »Verstehe.« Stille am anderen Ende der Leitung. »Wissen Sie was? Der Fall wird vor einem britischen Schnellrichter landen, dafür werde ich sorgen. Als eins der üblichen Schwarzmarktdelikte. Aus Ihrer zweifellos lückenlosen, aber glücklicherweise auf Deutsch verfassten Akte mache ich einen einzigen englisch geschriebenen Anklagepunkt. Sagen wir: ›Bei Razzia gestellt mit ungewöhnlicher Menge Bargeld, aber ohne rationierte Ware.‹ Zehn Minuten Verhandlung, ein Urteil, ein paar Wochen Haft, der Nächste bitte. Nicht angenehm, aber alltäglich. Das hat ja schon beinahe wieder was Ehrenhaftes. Sie werden Flasch danach bei der Landeszentralbank irgendeine Disziplinarstrafe aufbrummen. Aber sie werden ihn nicht entlassen.«
    »Wenn ich Erna nicht etwas anderes versprochen hätte, würde ich jetzt bei Ihnen vorbeiradeln, Sie unter den Arm klemmen und mich in der nächsten Kneipe mit Ihnen volllaufen lassen.«
    »Ich frage mich, warum unsere Völker jemals Krieg gegeneinander geführt haben. Probleme lassen sich doch so einfach lösen. Ich werde Sie zu gegebener Zeit an Ihr Angebot erinnern.«
    Stave sitzt an seinem Schreibtisch und ordnet die Akten. Es ist still in dem riesigen Gebäude, bis auf das feine Rauschen des Regens an den Scheiben. Er schiebt Papiere hin und her, doch das ist ihm zu wenig. Er könnte bersten vor Energie. Einfach ohne Ziel durch Hamburg fahren mit seinem neuen Rad? Sinnlos. Nach Hause gehen? Da wartet niemand auf ihn. Schließlich erkennt er, dass es eigentlich nur eines gibt, was er tun muss. Vermassle es diesmal nicht, ermahnt er sich.
    Ein paar Augenblicke darauf fährt er den Holstenwall hinunter, Richtung Elbe. Am nassdunklen, turmhohen Bismarckdenkmal vorbei, rechts in die Hafenstraße, dann die Palmaille. Kaum ein Auto auf der Straße, die Bürgersteige sind leer – bis auf die Bereiche vor den Schaufenstern der Läden, wo sich immer noch Menschentrauben bilden, Knäuel aus Schirmen, Mänteln, Regencapes. Im Vorbeifahren erkennt der Oberinspektor bloß Hinterköpfe, denn jedermann starrt auf die Auslagen. Die Fassungslosigkeit liegt wie ein seltsamer Geruch über dem Asphalt.
    Je weiter er kommt, desto kräftiger tritt er in die Pedale. Das große Mehrfamilienhaus zur Linken. Die Durchfahrt mitten im Gebäude, die aussieht wie das Tor zu einem Innenhof, tatsächlich jedoch den Weg zu einer kleinen Sackgasse freigibt: Röperstraße. Stave rast nun, zerrt vor der Hausnummer 6 so heftig am Bremshebel, dass der Reifen Gummi vom Bremsklotz abhobelt. Egal, denkt er flüchtig, ich werde mir einen neuen Klotz kaufen. Mit hastigen Bewegungen fummelt er an seinem selbstgebauten Schloss, bis er die Gazelle endlich gesichert hat. Er holt tief Luft, damit sich sein Herzschlag ein wenig beruhigt, klopft schließlich an die schäbige Tür zur Kellerwohnung. Bitte sei da, fleht er. Schritte hinter dem Holz, ein Schlüssel im Schloss, ein schabender Vorhängeriegel. Anna.
    »Du«, sagt sie bloß. Aber sie öffnet die Tür weit.
    Stave weiß nicht, was er erwidern soll. Sie hat die Haare in einem lockeren Knoten zurückgebunden, doch eine Strähne fällt ihr ins Gesicht. Sie trägt ein helles Kleid, das er noch nie gesehen hat. Er hätte Blumen mitbringen sollen, irgendetwas. Verlegen tritt er ein. Ihr Duft, als er eng an ihr vorbei in den Flur geht, während sie hinter ihm die Tür sorgfältig wieder abschließt. Die Wohnung besteht aus einem Kellerraum und der ehemaligen Waschküche. Die Ziegelwände sind mit weißer Kalkfarbe gestrichen, ein paar Nägel, die in die Fugen gehämmert sind. Daran hängen Bilder, die Anna geborgen hat. Ein Tisch, zwei Stühle, vor dem hochgelegenen Kellerfenster ein schiefer Wohnzimmerschrank, dessen Türen fehlen. Auf einem Bord an der Wand einige alte Bücher in braunen und blauen Einbänden mit ausgeblichenen Titeln auf dem Rücken, daneben zwei zerlesene

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