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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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der so heißt, Jack. Und falls Sie meinen, ich ließe mich gern mitten in der
    Nacht wecken -«
»Eddie Birdsell? Von Princeton?« sagte ich.
Offenbar drehte sie den Namen in ihrem Gedächtnis hin und her.
»Birdsell, Birdsell... Von Princeton... Princeton College?«
»Ja«, sagte ich.
»Sind Sie auch von Princeton?«
»Ja, so ungefähr.«
»So... und wie geht es Eddie?« fragte sie. »Eine sonderbare Zeit, jemand anzurufen, Herr im
    Himmel.«
»Es geht ihm glänzend. Er läßt Sie grüßen.«
»Danke. Grüßen Sie ihn auch von mir. Er ist ein feiner Kerl. Was macht er jetzt?« Plötzlich
    wurde sie ausnehmend freundlich.
»Ach, Sie wissen ja. Immer das gleiche«, sagte ich. Wie zum Teufel sollte ich wissen, was er
    machte? Ich kannte ihn ja kaum.
Ich wußte nicht einmal, ob er noch in Princeton war. »Sagen Sie, hätten Sie wohl Lust, irgendwo
    einen Cocktail mit mir zu trinken?«
»Wissen Sie vielleicht zufällig, wieviel Uhr es ist?« sagte sie. »Wie heißen Sie überhaupt,
    wenn ich fragen darf? Sie scheinen noch ziemlich jung zu sein.«
Ich lachte. »Danke für das Kompliment«, sagte ich wieder sehr weltmännisch. »Ich heiße Holden
    Caulfield.« Ich hätte einen falschen Namen angeben sollen, aber es fiel mir keiner ein.
»Schön, Mr. Cawffle, aber ich habe nicht die Gewohnheit, mitten in der Nacht Verabredungen zu
    treffen. Ich hin berufstätig.«
»Morgen ist Sonntag«, sagte ich.
»Ja, aber trotzdem. Ich muß meinen Schönheitsschlaf haben.«
»Ich dachte, wir könnten rasch einen Cocktail zusammen trinken. Es ist noch nicht zu spät
    dafür.«
»Sehr liebenswürdig«, sagte sie. »Von wo rufen Sie an? Wo sind Sie?«
»Ich? In einer Telefonkabine.«
»Ah.« Darauf folgte eine lange Pause. »Ich würde Sie furchtbar gern einmal treffen, Mr.
    Cawffle. Sie machen einen sehr gewinnenden Eindruck. Sicher sind Sie sehr sympathisch. Aber es
    ist tatsächlich schon spät.«
»Ich könnte zu Ihnen kommen.«
»Ja, das wäre sicher nett gewesen, ich meine, ich würde mich freuen, wenn Sie für einen
    Cocktail hätten hereinschauen können, aber meine Wohnpartnerin ist zufällig krank. Sie hat
    schon die ganze Nacht nicht schlafen können. Erst jetzt gerade ist sie eingeschlafen.«
»Ach, das ist wirklich schade.«
»Wo wohnen Sie? Vielleicht können wir uns morgen zum Cocktail verabreden.«
»Morgen geht es nicht«, sagte ich. »Heute abend ist für mich die einzige Möglichkeit.« Ich war
    ein Esel. Das hätte ich nicht sagen sollen.
»Oh. Ja, dann tut es mir sehr leid.«
»Ich werde Eddie von Ihnen grüßen.«
»Wollen Sie ihm das ausrichten? Hoffentlich verbringen Sie schöne Tage in New York. Fabelhafte
    Stadt.«
»Ja, das stimmt. Danke. Gute Nacht«, sagte ich. Dann hängte ich ein.
Junge, das war mir gründlich danebengegangen. Ich hätte wenigstens einen Cocktail oder so etwas
    abmachen sollen.

10. Kapitel
    Es war noch ziemlich früh. Ich weiß nicht mehr, wieviel Uhr es war, aber sehr spät war es
    jedenfalls nicht. Ich finde es schrecklich, ins Bett zu gehen, wenn ich überhaupt noch nicht
    müde bin. Deshalb machte ich meine Koffer auf und nahm ein frisches Hemd heraus, und dann wusch
    ich mich im Badezimmer und zog mich um. Ich wollte hinuntergehen und feststellen, was zum
    Teufel im »Lavendel-Saal« los war. Im Hotel befand sich nämlich dieses Nachtlokal, das
    »Lavendel-Saal« hieß.
Während ich das Hemd auszog, hätte ich doch noch um ein Haar meine kleine Schwester Phoebe
    angerufen. Ich hatte die größte Lust, mit ihr zu telefonieren. Mit einem vernünftigen Menschen.
    Aber ich getraute mich nicht, denn sie wäre nicht mehr aufgewesen, geschweige denn in der Nähe
    vom Telefon.
Zuerst dachte ich noch, ich könnte einfach einhängen, wenn sich meine Eltern melden würden,
    aber dieser Plan war nichts wert.
Sie hätten sofort gewußt, daß ich es war. Meine Mutter errät immer, wenn ich es bin. Sie hat
    einen sechsten Sinn. Aber ich hätte wirklich gern eine Weile mit der alten Phoebe
    gequatscht.
Man kann sich kein netteres und klügeres Mädchen vorstellen.
Sie ist wirklich klug. Seit sie in die Schule geht, hat sie immer die besten Noten. Tatsächlich
    bin ich der einzige Schwachkopf in der Familie. Mein Bruder D.B. ist Schriftsteller und so, und
    mein Bruder Allie, der gestorben ist, war überhaupt ein Hexenmeister. Nur ich bin unbegabt. Und
    Phoebe muß man gesehen haben. Sie hat rote Haare, ähnlich wie Allie, und im Sommer sind sie
    ganz kurz geschnitten. Im Sommer streicht sie die Haare

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