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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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ich
    Gelegenheit dazu hätte. Ich verstehe sogar, daß es in einer verrückten Art sehr amüsant sein
    könnte - wenn beide mehr oder weniger betrunken und so weiter sind -, sich mit einem Mädchen
    gegenseitig Wasser ins Gesicht zu spucken. Aber sympathisch ist mir diese Vorstellung
    nicht. Sobald man sie analysiert, ist etwas faul daran. Ich finde, wenn man ein Mädchen nicht
    wirklich gern hat, sollte man überhaupt keinen Blödsinn mit ihr machen; wenn man sie aber gern
    hat, sollte man auch ihr Gesicht gern haben, und wenn man ihr Gesicht gern hat, sollte man
    nichts Blödsinniges damit tun, wie zum Beispiel, daß man sie mit Wasser anspuckt. Es ist
    wirklich schlimm, daß so verrücktes Zeug manchmal soviel Vergnügen machen kann.
Von den Mädchen selbst ist auch keine große Hilfe zu erhoffen, wenn man versucht, sich nicht zu
    verrückt aufzuführen, wenn man versucht, irgend etwas Gutes nicht zu verderben. Vor ein paar
    Jahren kannte ich ein Mädchen, das sogar noch verdrehter war als ich. Und wie verdreht! Eine
    Weile unterhielten wir uns zwar großartig auf diese Weise. Das sexuelle Gebiet ist etwas, das
    ich nicht richtig verstehe. Man weiß nie, wo zum Teufel man eigentlich steht. Ich stelle mir
    fortwährend Gesetze auf, und dann verstoße ich sofort wieder dagegen. Letztes Jahr nahm ich mir
    vor, keinen Blödsinn mehr mit Mädchen zu machen, die ich im Grund nicht gern hatte. Aber dann
    verstieß ich in derselben Woche dagegen, in der ich den Vorsatz gefaßt hatte - sogar noch am
    gleichen Tag. Ich gab mich den ganzen Abend mit einer dummen Gans namens Anne Louise Sherman
    ab. Von Sex verstehe ich einfach nichts, im Ernst, nichts.
Während ich am Fenster stand, spielte ich mit dem Plan, Jane anzutelefonieren - das heißt ein
    Ferngespräch nach B. M. anzumelden, anstatt ihre Mutter zu fragen, wann sie heimkäme.
Eigentlich durfte man in den Schulen nicht spät abends anrufen, aber ich hatte mir alles schon
    ausgedacht. Ich wollte einfach sagen, daß ich ihr Onkel wäre, wenn irgend jemand ans Telefon
    kam. Ich wollte sagen, ihre Tante sei bei einem Autounglück umgekommen, und ich müsse sofort
    mit Jane sprechen.
Das hätte sicher funktioniert. Ich tat es dann nur deshalb nicht, weil ich nicht in der
    richtigen Stimmung war. Wenn man nicht entsprechend aufgelegt ist, kann man so etwas nicht
    durchführen.
Nach einiger Zeit setzte ich mich hin und rauchte einige Zigaretten. Es war mir ziemlich nach
    Weibern zumut, muß ich gestehen. Plötzlich kam mir ein neuer Einfall. Ich suchte in meiner
    Brieftasche nach der Adresse, die mir ein Student von Princeton im letzten Sommer gegeben
    hatte, als ich ihm bei einer Einladung begegnet war. Endlich fand ich sie. Der Zettel war von
    meiner Brieftasche ganz verfärbt, aber man konnte ihn noch lesen. Dieser Bursche von Princeton
    hatte damals gesagt, das sei die Adresse von einer, die es nicht gerade berufsmäßig mache, aber
    doch gelegentlich nicht abgeneigt sei. Er hatte sie einmal zu einem Ball in Princeton
    mitgenommen und war deshalb fast geflogen. Sie hatte früher mal in Varietes gestrippt oder so.
    Ich ging also zum Telefon und läutete bei ihr an. Sie hieß Faith Cavendish und wohnte im
    Stanford Arms Hotel.
Sicher eine Bumsbude.
Zuerst dachte ich, sie sei nicht zu Hause. Niemand meldete sich. Dann nahm endlich jemand den
    Hörer ab.
»Hallo?« sagte sie. Ich machte eine sehr tiefe Stimme, so daß man mein Alter nicht erraten
    konnte.
Meine Stimme ist ohnedies ziemlich tief.
»Hallo«, antwortete ein weibliches Wesen, nicht übermäßig freundlich.
»Ist da Miss Faith Cavendish?«
»Wer ist am Telefon?« fragte sie. »Wer ruft mich um diese verfluchte Zeit an?«
Das jagte mir einen leisen Schrecken ein. »Ich weiß, es ist ziemlich spät«, sagte ich mit
    meiner männlichsten Stimme. »Bitte entschuldigen Sie, aber es lag mir sehr daran, mich mit
    Ihnen in Verbindung zu setzen.« Das sagte ich sehr weltmännisch, tatsächlich.
»Wer ist am Apparat?«
»Ach, Sie kennen mich nicht, aber ich bin ein Freund von Eddie Birdsell. Er sagte, wenn ich
    einmal in New York wäre, sollten wir uns für einen Cocktail treffen.«
»Wer? Mit wem sind Sie befreundet?« Großer Gott, sie benahm sich am Telefon wie eine
    Wilde.
Sie schrie mich sozusagen an.
»Mit Edmund Birdsell. Eddie Birdsell«, sagte ich. Ich konnte mich nicht erinnern, ob er Edmund
    oder Edward hieß. Ich hatte ihn nur ein einziges Mal in so einer blöden Gesellschaft
    getroffen.
»Ich kenne niemand,

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