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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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kleine Schwester, die erst in die
    vierte Klasse geht. Sie tanzen fast so gut, und dabei tanzt meine Schwester besser als irgend
    jemand auf der Welt.«
»Überlegen Sie sich bitte, was Sie sagen.«
Eine feine Dame! Eine Königin, Herr im Himmel.
»Von wo kommen Sie und Ihre Freundinnen?« fragte ich.
Sie gab keine Antwort. Sie hielt wohl nach Peter Lorre Ausschau.
»Von wo kommen Sie und Ihre Freundinnen?«
»Was?«
»Von wo kommen Sie und Ihre Freundinnen? Geben Sie keine Antwort, wenn Sie keine Lust dazu
    haben. Ich möchte nicht, daß Sie sich überanstrengen.«
»Seattle, Washington«, sagte sie. Das hielt sie offenbar für eine große Gnade.
»Sie machen sehr gut Konversation. Wissen Sie das?«
»Was?«
Ich gab es auf. Es war ohnedies zu hoch für sie. »Wollen Sie ein bißchen Jitterbug tanzen, wenn
    etwas Schnelleres gespielt wird? Keinen verrückten Jitterbug mit Sprüngen und so - nur ganz
    gemütlich. Die andern gehn dann sicher an die Tische, bis auf die ältesten und fettesten
    Knaben, und dann haben wir reichlich Platz. O. K.?«
»Mir ist es gleich«, sagte sie. »Wie alt sind Sie überhaupt?«
Aus irgendeinem Grund ärgerte mich das. »Großer Gott, lassen Sie's gut sein. Ich bin zwölf,
    Herr im Himmel. Ich bin ziemlich groß für mein Alter.«
»Hören Sie, ich hab Ihnen schon gesagt, daß ich diese Art nicht leiden kann«, sagte sie. »Wenn
    Sie so mit mir reden wollen, kann ich mich zu meinen Freundinnen setzen, verstehen Sie.«
Ich entschuldigte mich wie besessen, weil die Kapelle gerade einen schnellen Tanz anfing. Wir
    tanzten Jitterbug, aber nur ganz bequem, nicht übertrieben. Sie machte es wirklich gut.
Man brauchte sie nur anzurühren, mehr nicht, und wenn sie sich dann drehte, schwenkte sie ihren
    kleinen Hintern so nett. Ich war ganz hin, aber im Ernst. Bis wir an den Tisch zurückgingen,
    war ich halb in sie verliebt. So ist es eben mit Mädchen.
Jedesmal, wenn sie etwas hübsch machen, auch wenn sie gar nicht besonders gut aussehen oder
    sogar wenn sie dumm sind, verliebt man sich halb in sie, und dann weiß man nicht mehr, wo zum
    Teufel man eigentlich steht. Mädchen - großer Gott. Sie können einen verrückt machen,
    wirklich.
Sie forderten mich zwar nicht auf, mich an ihren Tisch zu setzen - vor allem wohl, weil sie zu
    ungeschliffen waren -, aber ich setzte mich trotzdem zu ihnen. Die Blonde, mit der ich getanzt
    hatte, hieß Bernice Soundso - Crabs oder Krebs. Die beiden Häßlichen hießen Marty und Laverne.
    Ich stellte mich als Jim Steele vor, einfach aus Blödsinn. Dann versuchte ich ein bißchen
    intelligente Konversation mit ihnen zu machen, aber das war praktisch unmöglich. Man hätte
    ihnen die Arme ausrenken müssen. Man hätte kaum entscheiden können, welche von den dreien am
    dümmsten war.
Und alle drei schauten fortwährend herum, als ob sie erwarteten, daß jeden Augenblick eine
    Herde von verdammten Filmstars hereinkommen müßte. Sie dachten wohl, wenn die Filmstars nach
    New York kämen, säßen sie immer im Lavendel-Saal, anstatt im Stork Club oder im El Marocco und
    so weiter.
Es dauerte eine gute halbe Stunde, bis ich herausfand, was sie in Seattle arbeiteten. Sie waren
    alle im gleichen Versicherungsbüro. Ich fragte, ob es ihnen dort gefiele, aber diese drei Gänse
    konnten keine vernünftige Antwort geben. Ich hielt die beiden Häßlichen für Schwestern, aber
    über diese Frage waren sie empört. Offenbar wollte keine von beiden der andern ähnlich sehen,
    und das war sehr begreiflich, aber doch komisch.
Ich tanzte nacheinander mit jeder von ihnen. Laverne, die Häßliche Numero eins, tanzte nicht
    übel, aber Marty war gemeingefährlich. Bei Marty hatte man das Gefühl, daß man die
    Freiheitsstatue herumschleppte. Ich konnte mich nur trösten, indem ich sie ein bißchen zum
    Narren hielt. Deshalb sagte ich, ich hätte gerade den Filmstar Gary Cooper auf der andern
    Saalseite gesehen.
»Wo?« fragte sie ganz aufgeregt. »Wo?«
»Ach, jetzt haben Sie ihn verpaßt. Im Augenblick ist er verschwunden. Warum haben Sie nicht
    sofort hingeschaut?« Sie blieb einfach mitten im Tanzen stehen und spähte über alle Köpfe, um
    ihn doch noch zu entdecken. »So ein Pech!« sagte sie. Ich hatte ihr fast das Herz gebrochen. Es
    tat mir furchtbar leid, daß ich mich so über sie lustig gemacht hatte.
Über manche Leute sollte man sich nicht lustig machen, selbst wenn sie es verdienen.
Dann passierte etwas wirklich Komisches. Als wir an den Tisch zurückkamen, erzählte

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