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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
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wollen keinen
    Alkohol bringen. Aber er machte mir trotzdem Geschichten. »Ich bedaure, Sir«, sagte er, »aber
    können Sie sich über Ihr Alter ausweisen? Vielleicht mit Ihrem Führerschein?«
Ich sah ihn eisig an, als ob er mich beleidigt hätte. »Sehe ich aus, als ob ich noch nicht
    einundzwanzig wäre?«
»Ich bedauere, Sir, aber wir haben unsere -«
»O. K., O. K.«, sagte ich. »Bringen Sie mir eine Coca!« Als er weggehen wollte, rief ich ihn
    wieder her. »Könnten Sie nicht ein bißchen Rum oder so etwas hineintun?« fragte ich sehr
    freundlich. »Ich kann doch nicht vollkommen nüchtern in so einer Bumsbude sitzen. Können Sie
    nicht ein bißchen Rum hineintun?«
»Tut mir leid, Sir...« sagte er und ließ mich sitzen. Ich nahm es ihm nicht übel. Sie verlieren
    die Stelle, wenn sie dabei erwischt werden, daß sie Minderjährigen Alkohol geben. Ich bin eben
    ein gottverdammter Minderjähriger.
Ich fing wieder an, den drei Hexen am andern Tisch Blicke zuzuwerfen - das heißt der Blonden.
    Ich machte es aber nicht aufdringlich. Ich fixierte sie nur sehr kühl. Alle drei fingen wie
    verrückt an zu kichern. Wahrscheinlich dachten sie, ich sei zu jung, um es mit einer zu machen.
    Das ärgerte mich wahnsinnig.
Als ob ich sie heiraten wollte, oder was weiß ich. Daraufhin hätte ich sie schneiden sollen,
    das hätten sie verdient, aber ich war eben zum Tanzen aufgelegt. Manchmal tanze ich sehr gern,
    und gerade jetzt hatte es mich gepackt. Deshalb beugte ich mich näher zu ihnen und fragte:
    »Hätte eine von euch Mädels Lust zu tanzen?« Nicht grob oder so, sondern sogar sehr höflich.
    Aber verdammt noch mal, das fanden sie noch komischer.
Sie kicherten noch hysterischer und benahmen sich wie dumme Gänse. »Wie?« fragte ich. »Ich
    tanze mit jeder von Ihnen der Reihe nach. Einverstanden? Kommen Sie!« Ich wollte wirklich gern
    tanzen.
Schließlich stand die Blonde auf, weil es klar war, daß ich sie gemeint hatte, und wir gingen
    zur Tanzfläche. Die beiden andern platzten fast. Offenbar war ich damals sehr verzweifelt, daß
    ich mich überhaupt mit ihnen einließ. Aber es lohnte sich.
Die Blonde tanzte prima. Sie war eine der besten Tänzerinnen, mit der ich je getanzt habe.
    Tatsächlich sind die blödesten Mädchen manchmal beim Tanzen umwerfend. Ein intelligentes
    Mädchen versucht zum Beispiel oft zu führen, oder sie tanzt so schlecht, daß man am besten nur
    mit ihr am Tisch sitzen bleibt und sich betrinkt.
»Sie tanzen wirklich gut«, sagte ich zu ihr. »Sie sollten Berufstänzerin sein. Im Ernst. Ich
    habe einmal mit einer getanzt, und die war nicht halb so gut. Haben Sie schon von Marco und
    Miranda gehört?«
»Was?« fragte sie. Sie hörte überhaupt nicht zu. Sie schaute sich im ganzen Lokal um.
»Ich habe gefragt, ob Sie schon von Marco und Miranda gehört haben?«
»Mir nicht bekannt. Nein.«
»Das ist ein Tänzerpaar. Sie ist zwar nicht besonders. Sie macht alles richtig, aber besonders
    gut ist sie trotzdem nicht. Wissen Sie, wann eine Frau fabelhaft tanzt?«
»Was haben Sie gesagt?« fragte sie. Sie hörte mir überhaupt nicht zu. Alles andere im Lokal
    interessierte sie mehr.
»N-n.«
»Da, wo ich meine Hand auf Ihrem Rücken habe: wenn ich meine, daß nichts unter meiner Hand ist,
    kein Untergestell, keine Beine, keine Füße, überhaupt nichts - dann tanzt eine Frau wirklich
    fabelhaft.«
Sie hörte mir aber nicht zu. Deshalb stellte ich sie eine Weile kalt. Wir tanzten nur. Großer
    Gott, wie diese Gans tanzen konnte. Buddy Singer und seine Mist-Band spielten gerade Just one of those things , und selbst sie konnten diesen Song nicht ganz
    kaputtkriegen. Das ist ein toller Song. Ich versuchte keine schwierigen Schritte, weil ich es
    nicht leiden kann, wenn sich die Leute mit allen möglichen Kunststücken beim Tanzen wichtig
    machen, aber ich tanzte lebhaft herum, und sie paßte sich immer an. Komisch, ich hatte den
    Eindruck, daß es ihr selber auch Vergnügen machte, aber dann sagte sie wieder etwas Blödes.
    »Ich und meine Freundinnen haben gestern abend Peter Lorre gesehen. Den Filmschauspieler. In
    Person. Er hat eine Zeitung gekauft. Er ist toll!«
»Da haben Sie Glück gehabt«, sagte ich. »Wirklich Glück. Wissen Sie das?« Sie war wirklich eine
    Gans. Aber wie sie tanzte! Ich konnte nicht anders, als sie auf ihren blöden Kopf zu küssen,
    oben auf den Scheitel. Sie wurde giftig.
»He! Was soll das bedeuten?«
»Nichts. Sie tanzen nur so gut«, sagte ich. »Ich habe eine

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