Der Faenger im Roggen - V3
ein Mädchen richtig leidenschaftlich wird, ist sie nicht mehr bei Trost. Ich weiß nicht.
Wenn sie mir sagen, ich solle aufhören, höre ich auf. Ich bereue das jedesmal, nachdem ich sie
heimbegleitet habe, aber ich mache es doch immer wieder so.
Während ich das frische Hemd anzog, dachte ich, daß jetzt eigentlich meine große Chance
gekommen sei. Ich dachte, ich könnte an dieser Nutte Erfahrungen sammeln, falls ich je heirate
oder so. Manchmal mache ich mir Sorgen deswegen.
In Whooton las ich einmal ein Buch, in dem ein sehr raffinierter, geschickter Schürzenjäger
vorkam.
Monsieur Blanchard hieß er, daran erinnere ich mich noch. Es war ein miserables Buch, aber
dieser Blanchard war nicht übel.
Er wohnte in einem großen Schloß an der Riviera in Europa und verbrachte seine Freizeit damit,
Frauen mit dem Stock zu verjagen. Er war ein richtiger Wüstling, aber die Frauen rissen sich um
ihn. An einer Stelle sagte er, der weibliche Körper sei wie eine Geige und so, auf der nur ein
großer Musiker richtig spielen könne. Das ganze Buch war Schund, das weiß ich, aber ich hatte
seither immer diese Geige im Kopf. Eigentlich wollte ich aus diesem Grund ein bißchen Übung
bekommen, falls ich je heirate. Caulfield und seine Zaubergeige. Verrückt, das sehe ich selbst
auch, aber doch nicht nur verrückt. Ich hätte nichts dagegen, auf diesem Gebiet wirklich etwas
zu können. Meistens - falls sich jemand für die Wahrheit interessiert - weiß ich gar nicht
recht, wo ich anfangen soll, wenn ich mit einem Mädchen Blödsinn mache. Bei einem von den
Mädchen, bei denen mir dann irgend etwas dazwischenkam, dauerte es zum Beispiel fast eine
Stunde, bis ich nur ihren verdammten Büstenhalter aufgemacht hatte. Als mir das endlich
gelungen war, hätte sie mir schon am liebsten ins Gesicht gespuckt.
Ich ging also auf und ab und wartete auf diese Nutte. Dabei hoffte ich immer, daß sie hübsch
wäre.
Besonders wichtig war mir das zwar nicht. Eigentlich wollte ich es nur rasch hinter mich
bringen.
Endlich klopfte jemand, und als ich zur Tür ging, stand mir mein Koffer im Weg, so daß ich
darüber fiel und mir fast das Knie zerschmettert hätte. Ich falle immer im passenden Moment
über einen Koffer oder sonst was.
Als ich die Tür aufmachte, stand die Nutte da. Sie hatte eine Polojacke an und keinen Hut. Ihre
Haare waren blond, aber offenbar gefärbt. Aber sie war doch keine alte Hexe. »Guten Abend«,
sagte ich. Junge, war ich ein Lebemann!
»Sind Sie der, von dem Maurice geredet hat?« fragte sie.
Sie machte keinen übertrieben freundlichen Eindruck.
»Bedient Maurice den Lift?«
»Ja.«
»Ja, dann bin ich der. Wollen Sie nicht hereinkommen?« sagte ich. Ich wurde mit der Zeit
richtig lässig. Ganz im Ernst.
Sie kam herein, zog sofort ihre Jacke aus und warf sie aufs Bett. Darunter trug sie ein grünes
Kleid.
Dann setzte sie sich seitlich auf den Stuhl, der am Schreibtisch stand, und wippte mit dem
Fuß.
Gleich darauf schlug sie die Beine andersherum übereinander und wippte wieder mit dem freien
Fuß.
Für eine Prostituierte wirkte sie sehr nervös oder ängstlich.
Wahrscheinlich deshalb, weil sie noch furchtbar jung war.
Ungefähr so alt wie ich. Ich setzte mich in den großen Sessel beim Schreibtisch und bot ihr
eine Zigarette an. »Ich rauche nicht«, sagte sie. Ihre Stimme war so dünn und leise, daß man
sie kaum verstand. Sie bedankte sich auch nicht. Sie hatte wohl keine besseren Manieren.
»Darf ich mich vorstellen, ich heiße Jim Steele«, sagte ich.
»Haben Sie eine Uhr?« fragte sie. Natürlich war ihr mein Name vollkommen gleichgültig. »Wie alt
sind Sie überhaupt?«
»Ich? Zweiundzwanzig.«
»Daß ich nicht lache!«
Diese Antwort klang sonderbar kindlich. Von einer Nutte hätte ich erwartet, daß sie »Mist« oder
etwas Ähnliches gesagt hätte, aber nicht »Daß ich nicht lache« wie in der Schule.
»Wie alt sind denn Sie?«
»Alt genug, um mir nichts vormachen zu lassen«, sagte sie.
Sie war wirklich schlagfertig. »Haben Sie eine Uhr?« fragte sie wieder, und dann stand sie auf
und zog sich das Kleid über den Kopf.
Mir wurde es komisch zumut, als sie das tat. So unvermittelt!
Man sollte es wohl stimulierend finden, wenn jemand das Kleid auszieht, aber ich fühlte nichts
dergleichen. Ich war eher deprimiert als aufgeregt.
»He, haben Sie eine Uhr?«
»Nein. Nein, ich habe keine«, sagte ich. Junge, war mir komisch. »Wie heißen Sie?« fragte ich.
Sie hatte nur noch einen
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