Der Faenger im Roggen - V3
rosa Unterrock an. Es war wirklich peinlich. Im Ernst.
»Sunny«, sagte sie. »Fangen wir an, he?«
»Möchten Sie sich nicht erst noch mit mir unterhalten?« fragte ich. Das war ein kindischer
Vorschlag, aber es war mir verdammt sonderbar zumut. »Sind Sie sehr eilig?«
Sie schaute mich an, als ob ich verrückt wäre. »Über was zum Teufel wollen Sie sich
unterhalten?« sagte sie.
»Ich weiß nicht. Über nichts Besonderes. Ich dachte nur, Sie hätten vielleicht Lust
dazu.«
Sie setzte sich wieder auf den Stuhl am Schreibtisch, aber widerwillig, das merkte man
deutlich.
Dann wippte sie wieder mit dem Fuß - furchtbar nervös.
»Möchten Sie jetzt nicht eine Zigarette?« fragte ich. Ich hatte vergessen, daß sie nicht
rauchte.
»Ich rauche nicht. Hören Sie, wenn Sie über etwas reden wollen, dann fangen Sie damit an. Ich
hab auch noch anderes zu tun.«
Es fiel mir aber kein Thema ein. Ich hätte sie gern gefragt, wie sie eine Prostituierte
geworden sei, aber ich traute mich nicht. Wahrscheinlich hätte sie es mir ohnedies nicht
erzählt.
»Sie sind nicht von New York, nicht?« sagte ich schließlich.
Etwas anderes fiel mir nicht ein.
»Hollywood«, sagte sie. Dann stand sie auf und ging zum Bett, wo ihr Kleid lag. »Haben Sie
einen Kleiderbügel? Ich will nicht, daß mein Kleid zerdrückt wird. Es ist frisch
gereinigt.«
»Gewiß«, sagte ich sofort. Ich war nur zu froh, daß ich aufstehen und etwas tun konnte. Ich
nahm ihr Kleid und hängte es am Schrank auf. Komisch. Es machte mich irgendwie traurig.
Ich stellte mir vor, wie sie in ein Geschäft gegangen war und das Kleid gekauft hatte und wie
niemand im Geschäft ahnte, daß sie eine Prostituierte war. Der Verkäufer hielt sie wohl für
irgendein Mädchen. Das machte mich wahnsinnig traurig - ich weiß nicht genau, warum.
Sie setzte sich wieder hin, und ich versuchte, das Gespräch in Gang zu halten. Sie war eine
schlechte Partnerin. »Arbeiten Sie jede Nacht?« fragte ich. Der Satz klang fürchterlich, als
ich ihn ausgesprochen hatte.
»Ja.« Sie ging schon wieder im Zimmer herum. Sie nahm die Speisekarte, die auf dem Schreibtisch
lag, und las sie.
»Was tun Sie tagsüber?«
Sie zuckte die Achseln. Sie war ziemlich mager. »Schlafen. Ins Kino gehn.« Sie legte die
Menükarte hin. »Fangen wir an. Ich hab nicht die ganze -«
»Wissen Sie«, sagte ich, »ich bin heute etwas mitgenommen. Ich habe eine anstrengende Nacht
hinter mir. Im Ernst. Ich bezahle Sie natürlich, aber wäre es Ihnen recht, daß wir es bleiben
lassen? Oder haben Sie etwas dagegen?« Tatsächlich war ich einfach nicht mehr in der Stimmung.
Ich war viel eher deprimiert als aufgeregt. Sie deprimierte mich. Ihr grünes Kleid am Schrank
und so. Und außerdem kann ich das wohl überhaupt nie mit einem Menschen tun, der den ganzen Tag
in einem blöden Kino sitzt. Das ist mir sicher nicht möglich.
Sie kam mit einem komischen Gesicht auf mich zu, so als ob sie mir nicht glaubte. »Was ist mit
Ihnen los?« fragte sie.
»Nichts.« Herr im Himmel, ich wurde immer nervöser. »Ich habe nur kürzlich eine Operation
gehabt.«
»So? Wo?«
»An meinem Klavichord.«
»Wirklich? Wo zum Teufel ist denn das?«
»Das Klavichord? Ach, ziemlich weit unten.«
»So?« sagte sie. »Schlimm.« Dann setzte sie sich auf meine verdammten Knie. »Du bist
süß.«
Sie machte mich so nervös, daß ich wie toll weiterschwindelte. »Ich bin immer noch sehr
mitgenommen«, sagte ich.
»Du siehst wie einer vom Film aus. Weißt du - wie heißt er doch? Du weißt schon, wen ich
meine.«
»Ich weiß nicht«, sagte ich. Sie wollte nicht von meinen verdammten Knien herunter.
»Doch, natürlich. In dem Film mit Melvyn Douglas? Der, der den kleinen Bruder von Melvyn
Douglas gespielt hat? Der aus dem Boot fällt? Wie hieß denn der?«
»Ich weiß nicht. Ich gehe so selten wie möglich ins Kino.«
Dann fing sie an, sich komisch zu benehmen. Ziemlich plump und so.
»Könnten Sie mich vielleicht in Ruhe lassen?« sagte ich. »Ich bin nicht in der Stimmung, ich
hab es Ihnen schon gesagt. Ich hatte gerade erst eine Operation.«
Sie stand nicht auf, warf mir aber einen fürchterlich gemeinen Blick zu. »Hören Sie«, sagte
sie, »ich hab geschlafen, als mich dieser verrückte Maurice geweckt hat. Falls Sie meinen, daß
ich -«
»Ich habe Ihnen gesagt, daß ich Sie bezahlen werde. Ganz im Ernst. Ich habe reichlich Geld. Der
Grund ist nur, daß ich mich gerade erst von einer sehr ernsten Operation erholen
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