Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. D. Salinger
Vom Netzwerk:
und Pencey seid also nicht mehr vereint«, sagte er. Er drückte sich immer
    in dieser Weise aus. Manchmal amüsierte es mich sehr, manchmal aber auch nicht. Er übertrieb
    diese Art eigentlich ein bißchen. Ich meine damit nicht, daß er nicht witzig war oder so - das
    war er sicher -, aber manchmal geht es einem auf die Nerven, wenn jemand fortwährend solche
    Sachen sagt wie: »Du und Pencey seid also nicht mehr vereint.« Auch D.B. machte das manchmal zu
    ausgiebig.
»Woran lag es denn?« fragte Mr. Antolini. »Wie hast du im Englischen abgeschnitten? Ich werfe
    dich kurzerhand hinaus, falls du im Englischen ungenügend warst, du kleines
    Aufsatzschreiber-As.«
»Ach, im Englisch ging es gut. Es war zwar mehr Literatur. Ich habe im ganzen Quartal nur
    ungefähr zwei Aufsätze geschrieben«, sagte ich. Aber im mündlichen Ausdruck bin ich
    durchgefallen. »Mündlicher Ausdruck war Pflichtfach. In dem bin ich durch gefallen.«
»Warum?«
»Ach, ich weiß nicht.« Ich hatte nicht viel Lust, näher darauf einzugehen. Es war mir immer
    noch irgendwie schwindlig, und ich hatte plötzlich wahnsinniges Kopfweh. Tatsächlich. Aber da
    es ihn offenbar so brennend interessierte, erzählte ich ihm mehr davon. »Im mündlichen Ausdruck
    muß jeder in der Klasse aufstehn und einen Vortrag halten. Aus dem Stegreif, wissen Sie. Und
    wenn er vom Thema abweicht, so soll man so schnell man nur kann Abschweifung! brüllen.
    Das hat mich halb verrückt gemacht. Ich bekam eine schlechte Note - eine Sechs.«
»Warum?«
»Ach, ich weiß nicht. Dieses Abschweifen oder Nicht-Abschweifen ging mir auf die Nerven. Ich
    weiß nicht. Das Dumme ist eben, daß ich es sogar gern habe, wenn jemand abschweift. Das ist
    viel interessanter und so.«
»Legst du keinen Wert darauf, daß jemand beim Thema bleibt, wenn er etwas erzählt?«
»Doch, sicher! Ich möchte schon, daß er beim Thema bleibt. Aber ich habe es nicht gern, wenn er
    zu übertrieben beim Thema bleibt. Ich weiß nicht. Es gefällt mir wohl einfach nicht, wenn
    jemand die ganze Zeit immer nur beim Thema bleibt. Die mit den besten Noten im mündlichen
    Ausdruck haben ihr Thema die ganze Zeit ohne Abschweifung verfolgt - das gebe ich zu. Aber da
    war dieser Junge, Richard Kinsella. Er hielt sich nicht allzu genau ans Thema, und bei ihm
    brüllten sie immer Abschweifung . Das fand ich schrecklich, denn er war sehr nervös - und
    dann fingen seine Lippen immer an zu zittern, wenn er drankam, und man konnte ihn fast nicht
    verstehen, wenn man weit hinten saß. Wenn seine Lippen dann etwas aufhörten zu zittern, dann
    gefielen mir seine Vorträge besser als alle anderen. Er ist aber auch praktisch durchgefallen,
    wie ich. Er bekam eine Vier, weil sie bei ihm die ganze Zeit über Abschweifung brüllten.
    Zum Beispiel hielt er diesen Vortrag über diese Farm, die sein Vater in Vermont gekauft hatte.
    Die andern brüllten vom Anfang bis zum Schluß: Abschweifung! , und der Lehrer, Mr.
    Vinson, gab ihm eine Sechs, weil er nichts davon gesagt hatte, was für Tiere und Gemüsearten
    und solches Zeug auf der Farm wuchsen. Dieser Kinsella fing zum Beispiel von lauter solchem
    Zeug an, und dann erzählte er plötzlich von einem Brief, den sein Onkel an seine Mutter
    geschrieben habe, und dieser Onkel habe mit zweiundvierzig Jahren Kinderlähmung bekommen und
    habe sich im Spital von niemand besuchen lassen wollen, weil er nicht wollte, daß ihn jemand in
    den orthopädischen Schienen sähe. Das hatte natürlich nicht viel mit der Farm zu tun,
    zugegeben, aber es war einfach nett. Mir gefällt es jedenfalls, wenn jemand von seinem Onkel
    erzählt. Besonders, wenn einer mit der Farm von seinem Vater anfängt und sich dann plötzlich
    viel mehr für seinen Onkel interessiert. Ich finde es gemein, fortwährend Abschweifung! zu brüllen, wenn er so sympathisch und erregt ist... Ich weiß nicht.«
Es ist schwer zu erklären. Ich war auch nicht in der Stimmung, es besser zu erklären. Ich hatte
    plötzlich so furchtbare Kopfschmerzen. Ich hoffte nur, daß Mrs. Antolini um Gottes willen bald
    mit dem Kaffee käme. So etwas kann mich wahnsinnig ärgern - ich meine, wenn jemand behauptet,
    daß der Kaffee schon fertig sei, und es dann gar nicht wahr ist.
»Holden, gestatte mir eine kurze und etwas langweilige pädagogische Frage: Meinst du nicht, daß
    alles seine Zeit hat? Wenn jemand von der Farm seines Vaters anfängt, meinst du nicht, daß er
    bei seinem Thema bleiben sollte, bevor er von den Schienen

Weitere Kostenlose Bücher