Der Fänger
festgeschnallt war. Er trat näher – und sie sah einen Mann.
Es war nicht Igor Sartow!
Raissa schrie nicht.
Sie starrte auf den Mann, der einen weißen Kittel trug.
Wieso...?
Der Mann war Arzt!, erkannte sie. Und ich liege hier festgeschnallt auf dieser verdammten Pritsche. Ich kann nichts tun. Ich bin ihm hilflos ausgeliefert. Er kann mit mir anstellen, was er will. Er kann mich sogar töten...
Der letzte Gedanke ließ sie aufstöhnen. Der Mann im weißen Kittel verwandelte sich für sie in ein Monster. Sie konnte den Blick nicht von seinem Gesicht abwenden.
Er hatte sehr dunkles Haar und Bartschatten auf den Wangen, die nicht zu übersehen waren. Einige Haare waren ihm in die Stirn gefallen und klebten dort fest. Ein fleischiges Gesicht mit dunklen Augen. Eine Brille, die nach oben über die Stirn geschoben worden war und deren Gläser in den schwarzen Haaren verschwanden.
Der Mann blieb in Brusthöhe vor ihr stehen. Seine feuchten Lippen verzogen sich zu einem Grinsen, und ein irres Glitzern trat in seine Augen.
Doch es war in erster Linie sein Blick, der ihre Angst noch mehr steigerte. Er hatte sie noch nicht angefasst, dennoch kam er ihr vor wie ein Henker in Weiß.
Fast noch schlimmer war die Tatsache, dass sie ihn kannte. Es war der Arzt, der sie am Nachmittag untersucht hatte.
Woher sie die Kraft nahm, eine Frage zu stellen, wusste sie selbst nicht. »Was wollen Sie?«
Der Arzt ging darauf nicht ein. Er flüsterte nur: »Geht es dir gut, meine Liebe?«
Russisch – ja, er hatte russisch gesprochen. Es konnte jemand aus ihrer Heimat sein, doch das beruhigte sie nicht im Geringsten. Sie wollte eine Antwort auf die Frage haben und stellte sie erneut.
Wieder ignorierte er sie. »Ich bin Boris Banacek«, stellte er sich stattdessen vor. »Dr. Banacek, um genau zu sein, und ich bin ein sehr guter Arzt.«
»Was wollen Sie von mir? Ich brauche keinen Arzt. Ich bin völlig gesund, ja, gesund.«
»Ich weiß. Genau das habe ich ja festgestellt. Ich habe etwas ganz anderes vor mit dir.« Was er plante, das sagte er nicht. Er streckte die Rechte aus und fuhr mit den Fingern durch das Gesicht der jungen Frau.
Sie fühlte das Streicheln auf ihrer Flaut und schauderte zusammen. Es fühlte sich an wie kalte Totenfinger, die darüber hinwegglitten. Eine Gänsehaut überkam die junge Frau.
»Ja, du bist richtig«, flüsterte er. »Du bist genau richtig für mich, meine Schöne.«
Noch immer wusste Raissa nicht, was dieser seltsame Arzt von ihr wollte. Etwas Gutes konnte es nicht sein, sonst wäre sie nicht festgeschnallt worden.
»Bitte, was...?«, setzte sie zu einer Frage an, wurde jedoch von ihm unterbrochen.
»Pssst – nicht reden. Ich weiß ja, was du sagen willst, aber ich kann nichts tun für dich. Du musste angeschnallt bleiben, bis die Veränderung eintritt.«
Sie klammerte sich an seinen letzten Satz. »Veränderung?«, fragte sie leise. »Was denn für eine Veränderung?«
Wieder zeigte der feuchte Mund ein Grinsen. »Das wirst du noch merken, Raissa.«
»Aber ich will es wissen!« Sie hatte so laut wie möglich gesprochen, und es war trotzdem leise gewesen.
»Ach, du weißt es nicht?«
»Nein!«
»Hat dir der gute Igor nichts gesagt?«
»Hat er nicht.«
»Dann werde ich dich aufklären.« Er sprach mit volltönender Stimme und nickte, als wollte er sich selbst noch mal bestätigen. »Wir brauchen dich. Du bist jung, du bist schön, doch darauf kommt es mir nicht an. Das ist nur wichtig für das, was du offiziell hast tun sollen. Für mich zählen mehr deine inneren Werte, wenn du verstehst?«
»Nein, ich verstehe das nicht.«
»Dann will ich es dir genauer sagen.« Dr. Banacek verdrehte die Augen. »Die inneren Werte sind deine Leber, dein Herz, deine Nieren, vielleicht auch deine Lunge. Alles klar?«
Raissa gab die Antwort nicht sofort. Sie ahnte etwas, und doch wollte sie ihre eigene Vermutung nicht glauben. Was hier passierte, war der reine Wahnsinn.
»Und was ist damit?«, presste sie hervor.
Dr. Banacek legte den Kopf schief. »Bitte, meine Kleine, frag doch nicht so dumm. Ich werde dir einiges entnehmen und dann für viel Geld verkaufen.«
Nach dieser Antwort wurde Raissa schlecht.
***
Grüne Klauen, keine Hände mehr im normalen Sinn!
Wanda Rice war nicht in der Lage, den Blick abzuwenden. Sie kannte sich mit Albträumen aus, weil sie davon schon einige durchlitten hatte. Dass ein Albtraum jedoch zur Wahrheit werden würde, das hatte sie niemals erwartet. Trotzdem
Weitere Kostenlose Bücher