Der Falke des Lichts
einmal der Frühling wieder gekommen war, dann allerdings würden sie diese zerhackten Schilde hochwerfen zum Beweis dafür, wie tapfer sie gekämpft hatten. Sie würden sich einander ihre Narben zeigen, sie würden die Speere polieren, und sie würden wild darauf sein, wieder loszuziehen. Aber als sie jetzt nach Dun Fionn kamen, als sie so stumpfsinnig durch den strömenden Regen stapften, da schien es unmöglich, als ob sie je wieder prahlen könnten.
Morgas, Medraut und ich standen am Tor und sahen zu, wie der Kriegshaufen herankam. Morgas trug ein dunkles, gestreiftes Kleid, und an ihrem dunklen Umhang steckte eine Silberfibel. Sie trug den Regen im Haar wie Juwelen. Lot, der an der Spitze des Heeres ritt, richtete sich auf, um sie besser sehen zu können, und zwang sein Pferd zum Galoppieren. Vor ihr sprang er eilig ab und riß sie in die Arme. Er vergrub sein Gesicht an ihrem Hals und sagte ihren Namen in einem rauhen Flüstern. Ich sah ihr Gesicht über seiner Schulter, und der stille, kalte Widerwillen in ihren Augen war gemischt mit einem seltsamen Stolz auf ihre Macht.
»Willkommen zu Hause, Mylord«, murmelte sie und machte sich los. »Wir sind froh, Euch unverletzt wiederzusehen.«
Lot nickte, murmelte etwas in sich hinein und schaute zur Halle und zu seinen Kammern hinüber. »Und wo ist Agravain, mein Sohn?« fragte Morgas leise.
Lot nahm sich zusammen, zog einen Arm von ihrer Hüfte zurück und wandte sich dem Heer zu, das sich jetzt durch das Tor in den Hof ergoß. Sie redeten und lachten vor Freude über ihre Heimkehr. »Agravain!« rief Lot.
Ein blonder Kopf zuckte hoch, und Agravain ritt zu Lot herüber. Er war jetzt ein wenig älter, ein wenig größer, viel schmutziger und Lot viel ähnlicher. Aber ich erkannte sofort, daß er sich nicht sehr verändert hatte. Er glitt von seinem Pferd und lächelte breit, erfreut darüber, wieder dazusein.
»Ich grüße dich, Mutter«, sagte er.
»Tausendmal willkommen«, antwortete Morgas. »Heute nacht wird es ein Fest für euch beide geben. Aber jetzt werdet ihr ruhen wollen. Schlafen, Mylord.« Sie lächelte Lot an.
Mein Vater grinste, nahm ihren Arm und eilte mit ihr davon.
Agravain sah sie gehen, und da drehte er sich zu Medraut und mir um. »Nun«, sagte er und grinste dann breit. »Bei der Sonne und dem Wind, es ist gut, euch wiederzusehen!« Er nahm uns beide fest in den Arm. »Was für ein Sommer!«
»Ich kann dir Ale besorgen, wenn du mit uns in die Halle kommen willst, zum Erzählen«, schlug ich vor. Ich war froh, trotz allem, ich war sehr froh, daß er wieder zu Hause war.
»Eine herrliche Idee!« sagte Agravain. »Besonders das Ale.«
Er schaute Medraut an und fuhr ihm durch das Haar. »Gawain, ich schwöre, dein Bruder ist mehrere Zoll gewachsen, seit ich ihn zum letztenmal gesehen habe. Selbst du bist gewachsen.«
»Du auch.«
»Ja?« fragte er entzückt. »Das ist ja wunderbar! Wenn ich groß genug bin, dann gibt Vater mir ein Kettenhemd. Er hat es versprochen.«
Wir gingen hinüber zur Festhalle, und ich besorgte ihm etwas Ale. Ich fragte ihn über den Krieg aus. Er platzte ja fast vor Eifer, es irgendeinem zu erzählen, und erzählte uns anderthalb Stunden lang.
Es sah so aus, als ob er eigentlich nicht als Krieger gekämpft hatte, sondern mitten im Kriegshaufen geritten wäre und nur in der großen Schlacht einmal Speere auf den Feind geschleudert hätte.
»Ich glaube, ein Speer hat vielleicht jemanden getroffen«, sagte Agravain hoffnungsvoll. »Aber natürlich konnten wir nicht zurück, um nachzusehen, ob das auch stimmte. Wir sind ja kaum lebendig davongekommen!«
Sein Benehmen hatte sich seit damals, als er losgezogen war, etwas verändert. Seine Energie, die immer im Überfluß vorhanden gewesen war, hatte jetzt ein Ventil gefunden. Er genoß es, Krieger zu sein. Er hatte die Sprache und die Eigentümlichkeiten der älteren Kämpfer angenommen, damit er in die Gesellschaft paßte. Aber tief innen, das spürte ich, war er noch genau der gleiche.
Er war überglücklich, daß er wieder zurück war. Die letzten Monate des Krieges waren besonders unangenehm gewesen. Eine größere Blutfehde hatte fast zwischen zweien von Lots Unterkönigen begonnen, und irgendwann einmal hatte sogar Krieg mit Gododdin gedroht, als die Heerhaufen versucht hatten, ihre Spannung dadurch loszuwerden, daß sie sich über die Fremden lustig machten.
Nachdem Agravain sich ausgesprochen hatte, gähnte er und entschloß sich, schlafen zu gehen. Er
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