Der Falke des Lichts
anderen glauben, daß ich es nicht war?
Aber sie glaubten es, sie hatten es alle geglaubt, wenigstens am Anfang. Ich schaute den Rubin im Heft meines Schwertes an, er war so dunkel wie die Nacht, so dunkel wie meine eigene Angst.
Wer bin ich? fragte ich mich verzweifelt. Gawain ap Lot, ein Krieger des Lichts, ja. Aber menschlich! Was ist mit mir geschehen?
Mein König, sagte ich im Herzen, mein König, ich habe Angst. Die Finsternis ist sehr stark, und ich, der ich für dich kämpfen soll, weiß noch nicht einmal, wer ich bin. Ich fürchte mich sogar vor mir selbst. Wie kann ich fliehen? Selbst wenn ich Aldwulf gewachsen bin, Cerdic hat eine Armee, Hunderte von Kriegern, Tausende von Soldaten, Reihen, die vor Stahl starren, und Menschen, die alle Angst vor dem Übernatürlichen haben. Es ist eine solide, weltliche Macht, Stahl und Blut, dem nicht zu widersprechen ist. Und sie glauben nicht, daß ich menschlich bin, und meine Mutter ist die Königin der Finsternis und wünscht meinen Tod.
Meine Mutter. Ich dachte wieder an sie und an alles, was sie mich gelehrt hatte. Wie tief hatte mich das gezeichnet? Tief genug, um Verdacht in Aldwulf zu erwecken, tief genug, um jeden zu entnerven, der mich nur anschaute. Oder vielleicht hatte mich auch der eine Tag - oder die drei Jahre - auf der Insel der Glückseligen verändert, ohne daß ich etwas bemerkt hatte. Vielleicht war ich jetzt etwas ganz anderes, jemand, der unabänderlich fremd geworden ist für seine Mitmenschen.
Und was für ein Land ist dies? fragte ich mich. Weit, weit von zu Hause entfernt. Weit von meinen Verwandten und von meinem Clan, von Menschen, die mich kannten, die mich anlachten und mich schützten und die mich alle für tot halten mußten. Ich wäre auch besser tot, als allein in einem fremden Königreich und einem fremden Gott als Opfer bestimmt zu sein, wie das Connall fast geschehen war.
Ich weinte. Ich zitterte still in dem dunklen Stall. Es tut mir leid, mein Herr, mein Hoher König, daß ich dich bezweifelt habe. Du würdest deine Krieger nicht verlassen, du würdest sie nicht sterben lassen, und ich habe kein Recht, vor dem Kampf zu fliehen, nachdem du mich einmal gerettet hast.
Das Licht stieg langsam in meinem Schwert, es glühte, es brannte, es flammte. Ich umklammerte das Heft, stützte meine Stirn auf den Knauf und fühlte, wie das Licht sich in mir bewegte, wie es aufstieg wie eine flutende Musik. Hab Glauben, wundere dich nicht über das, was geschieht.
7
Es war schon spät, als ich am nächsten Tag erwachte. Es war später Vormittag. Cerdics Hörige freuten sich, als ich endlich aufwachte, denn ich war ihnen im Weg. Aber seltsamerweise waren sie nicht gewillt gewesen, mich aufzuwecken. Danach sagte man mir allerdings, daß ich zum Brunnen gehen sollte, um mich zu waschen, und nachdem ich das getan hatte, brachte mir der oberste Hörige ein paar Kleider. Sie waren abgetragen, aber sauber, und sie paßten gut. Auch das neue Paar Stiefel und der Umhang waren in Ordnung. Nachdem ich mich angezogen hatte, fühlte ich mich ein bißchen menschlicher, und ich schlang mir Caledvwlch um die Schulter.
Der oberste Hörige runzelte die Stirn darüber. »Was machst du damit?« fragte er. »Du hast kein Recht, Waffen zu tragen, das mußt du doch wissen.«
Ich zuckte die Achseln. »Niemand hat es mir bis jetzt abgenommen, und solange das nicht passiert, werde ich es behalten.«
Er schüttelte den Kopf. »Dafür kannst du verprügelt werden, ja, man kann dich sogar töten. Bist du noch nicht lange hörig?«
Ich nickte.
»Na gut, dann glaub mir. Es wäre besser, wenn du das Schwert nicht behältst. Gib es dem Herrn.«
»Ich glaube, ich werde es trotzdem behalten«, sagte ich ruhig. »Es bedeutet mir etwas.«
Der alte Mann sah bekümmert aus, aber dann zuckte er die Achseln. »Nun, du riskierst ja die Peitsche, nicht ich. Hättest du gern was zu essen?«
»O ja, sehr gern.«
Er gab mir Haferkuchen mit Honig und Milch, die ich in ganz kurzer Zeit verschlang.
Der Hörige grinste mich an.
»Du hast wohl in letzter Zeit ziemlich wenig zu essen bekommen? Die Krieger, von denen der Herr dich gekauft hat, müssen eine ganze Strecke zurückgelegt haben. Sag mir«, ein Glitzern kam in seine Augen, »warst du beim Pendragon? Wie läuft der Krieg?«
Jetzt, wo das Tageslicht wieder da war und auch mein Appetit, da hatte der Hörige wohl vergessen, wie er sich meinetwegen in der Nacht zuvor gefühlt hatte. Ich lächelte, aber ich schüttelte
Weitere Kostenlose Bücher