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Der Falke des Nordens

Der Falke des Nordens

Titel: Der Falke des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Marton
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erleuchtet, und ihr Blick fiel sogleich auf das riesige Bett. Plötzlich stellte sie sich vor, in Khalils Armen zu liegen, wie er sie küsste und ihre Brüste zärtlich streichelte …
    “Schluss damit!”, befahl sie sich laut.
    Rachelle blickte sie verständnislos an. “Wie bitte?”
    Joanna atmete tief ein und aus. Habe ich plötzlich Halluzinationen?, fragte sie sich. Wahrscheinlich war sie übermüdet und musste erst einmal schlafen.
    “Ich … ich verzichte auf den Tee und alles andere, Rachelle.” Erschöpft ließ Joanna sich aufs Bett sinken. “Knipsen Sie das Licht aus, und hängen Sie das Schild ‘Bitte nicht stören’ draußen an die Tür.”
    “Es tut mir leid, aber ich weiß nicht …”
    Joanna seufzte. “Ich möchte nur noch schlafen. Es ist sehr spät, und ich fühle mich wie zerschlagen.”
    “Wie Sie wünschen, Mademoiselle.”
    Ich muss mich unbedingt erholen, ging es Joanna durch den Kopf, während das Mädchen nahezu geräuschlos im Zimmer herumlief. Wenn ich morgen früh aufwache, ist vielleicht mein Vater schon angekommen, um mich nach Hause zu holen und den allmächtigen Khalil seiner gerechten Strafe zuzuführen.
    Und darauf freute sie sich jetzt schon.

6. KAPITEL
    Nachts träumte Joanna von ihrem Vater, wie er mit einem rundlichen kleinen Mann im Spotlight eines Scheinwerfers saß. Joanna befand sich im nicht beleuchteten Teil des Raums, von dem aus sie die beiden beobachtete, die in ein Brettspiel vertieft waren. Plötzlich wurde das tiefe Schweigen durch Klappern von Pferdehufen unterbrochen. Blitzartig erkannte sie, dass der Mann auf dem kräftigen ebenholzschwarzen Hengst sie überwältigen wollte.
    “Dad”, schrie sie auf und versuchte wegzulaufen, doch die Beine versagten ihr den Dienst. “Dad”, rief sie noch einmal, während der Reiter sie hochriss und unsanft in den Sattel beförderte.
    Ihr Vater hörte sie jedoch nicht. Er konzentrierte sich nur darauf, die Figuren auf dem Brett weiterzuschieben.
    “Guten Morgen, Mademoiselle.”
    Joanna war sogleich hellwach, und das Herz klopfte ihr zum Zerspringen. Verschwommen nahm sie die Gestalt wahr, die vor dem Fenster stand.
    “Khalil?”, fragte sie unsicher.
    “Nein, ich bin es, Rachelle, Mademoiselle.” Nun schob die junge Frau die Vorhänge zur Seite, und Joanna blinzelte in das goldene Sonnenlicht, das sich im Raum ausbreitete.
    “Rachelle.” Joanna atmete erleichtert auf. “Ich … ich habe geträumt …” Sie richtete sich auf, zog die Knie bis unters Kinn und strich sich die Haare aus dem Gesicht. “Wie viel Uhr ist es?”
    “Gleich elf Uhr, Mademoiselle. Ich habe Ihnen Kaffee und Früchte gebracht”, sagte das Mädchen freundlich und stellte ein kleines Intarsientablett auf den niedrigen Tisch neben dem Bett.
    “Elf Uhr schon? Habe ich so lange geschlafen?”
    “Mein Herr wünschte, dass Sie sich ausruhen. Er sagte, ich brauchte Sie erst dann zu wecken, wenn er Sie sehen will.”
    “Dieser arrogante Kerl.” Joanna wurde schon wieder wütend.
    “Bitte, Mademoiselle. So etwas dürfen Sie nicht behaupten!”, wehrte Rachelle entsetzt ab.
    Joanna seufzte resigniert. Warum ließ sie ihren Ärger und die ganze Enttäuschung an einer Angestellten aus? Die junge Frau hatte ja keine andere Wahl, als Khalils Befehle auszuführen.
    “Es tut mir leid. Ich bin wohl heute Morgen nicht so ganz auf der Höhe”, entschuldigte Joanna sich und lächelte verkrampft.
    “Ein Bad wird Ihnen sicher gut tun. Ich habe bereits das Wasser einlaufen lassen und Öl hineingegeben. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?”, erkundigte Rachelle sich verständnisvoll.
    “Nein, danke. Im Moment fällt mir nichts ein.”
    “Wenn Sie mit dem Baden fertig sind, bringe ich Ihnen noch etwas Joghurt, Mademoiselle. Oder möchten Sie lieber Eier?”
    “Diese formelle Anrede gefällt mir nicht. Nennen Sie mich doch einfach Joanna.”
    Rachelle errötete. “Oh, das ist eine Ehre.”
    “Du liebe Zeit, Sie brauchen sich deshalb nicht geehrt zu fühlen! Wir leben nicht mehr im Mittelalter, sondern im zwanzigsten Jahrhundert.”
    “Ja, Joanna”, stimmte Rachelle liebenswürdig zu. “Läuten Sie bitte, wenn Sie mich brauchen.” Und dann ging sie zur Tür.
    Doch plötzlich vergaß Joanna alle guten Vorsätze. Sie musste zumindest versuchen, der jungen Frau ihre Situation zu erklären. “Rachelle!” Joanna schwang die Beine aus dem Bett. “Warten Sie. Prinz Khalil hält mich gegen meinen Willen hier fest. Er hat mich entführt

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