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Der Falke des Nordens

Der Falke des Nordens

Titel: Der Falke des Nordens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Marton
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ein dichtes Gebüsch in der Nähe des Pfads. Es gelang ihr gerade noch rechtzeitig, sich dahinter zu verstecken. Sekundenbruchteile später donnerten die Männer auf den Pferden an ihr vorbei. Verzweifelt überlegte sie, welche Richtung sie nun einschlagen sollte, da erblickte sie jenseits des Gesträuchs einen parallel verlaufenden schmalen Weg. Sie biss die Zähne zusammen und beschloss, das Risiko einzugehen.
    Eine Zeit lang sah es ganz so aus, als hätte sie eine gute Entscheidung getroffen. Wie eine Schlange wand sich der schmale Pfad bergabwärts durchs Gebirge – bis er plötzlich an einer schwindelerregend steilen Klippe endete.
    Ein großer Stein, den die Stute losgetreten hatte, stürzte mit viel Getöse in die endlose Tiefe. Voller Angst und unter starkem Herzklopfen drängte Joanna das Pferd vorsichtig vom Abgrund weg. Sie wollte jedoch nicht die ganze Strecke zurückreiten, das würde zu viel Zeit kosten. Deshalb entfernte sie die verräterischen Glöckchen vom Zügel und dirigierte das Pferd zwischen den Büschen hindurch, ohne die geringste Ahnung zu haben, wo sie sich befand. Schließlich erreichte sie eine enge Schlucht und dachte darüber nach, wie es nun weitergehen sollte. Sie schaute sich den Himmel und die Berggipfel an, die die untergehende Sonne in ein fast unwirklich wirkendes Rotgold tauchte.
    Als sie den klagenden Schrei einer Eule hörte, schauderte sie und hüllte sich noch fester in den langen Wollmantel ein. Es war kühl geworden, und während der Nacht würde es noch kälter werden. Außerdem war Sidana erschöpft, sie ließ den Kopf hängen. Sie hatte sich großartig gehalten, war in rasendem Tempo davongaloppiert und zeigte erst seit ungefähr einer Stunde Müdigkeitserscheinungen.
    Es wurde rasch dunkel. Der Mond, der wie eine Sichel über den Bäumen hing, tauchte die Schlucht in blasses Licht. Joanna war sich bewusst, sie musste unbedingt etwas unternehmen, doch all ihre Überlegungen führten zu nichts. Plötzlich hob die Stute den Kopf und schnaubte leicht. Erschrocken versuchte Joanna, in dem fahlen Licht etwas zu erkennen.
    Erneut schnaubte Sidana und scharrte diesmal mit den Hufen. Joanna streichelte ihr den Nacken, um sie zu beruhigen. “Was hast du gehört, Sidana? Ist dort jemand?”, flüsterte sie dem Pferd ins Ohr.
    Die Stute bewegte sich zaghaft vorwärts. Joanna lockerte die Zügel und ließ sie gewähren. Sidana trabte los, und mit einem Mal war Joanna alles klar. Genau vor ihnen und in dem verschwommenen Licht kaum wahrnehmbar, sprudelte eine Quelle aus dem Felsen.
    Joanna lobte das Tier und glitt vorsichtig zu Boden. Nach dem langen Ritt ohne Sattel spürte sie jeden einzelnen Muskel. Sidana beugte sich zum Wasser hinunter, während Joanna sich hinkniete und in tiefen Zügen aus der hohlen Hand trank. Das tat gut, denn Durst hatte sie schon seit Stunden gequält.
    Joanna richtete sich wieder auf – und blieb sogleich wie erstarrt stehen. Sie vernahm gedämpftes Stimmengewirr, gefolgt von dem Geräusch von Hufen und dem Krachen von Leder. Khalils Leute haben mich aufgespürt, war ihr erster Gedanke. Hastig griff sie nach den lose herabhängenden Zügeln und führte Sidana in das nahe gelegene Gebüsch. “Sch, sch”, flüsterte sie außer sich vor Entsetzen und streichelte die Stute beruhigend, damit sie keinen Laut von sich gab.
    Unter keinen Umständen durfte man sie entdecken. Sie wollte sich nicht wieder in den Palast bringen lassen, auch wenn das bedeutete, dass sie hier eine unbequeme Nacht verbringen musste und erst im Morgengrauen ihren Weg fortsetzen konnte.
    Dort hinten waren sie! Joanna sah sie ziemlich deutlich, während sie zur Quelle ritten. Es handelte sich um ungefähr ein Dutzend Männer – aber die Gesichter und auch die Kleidung waren ihr unbekannt. Offenbar gehörten sie nicht zu Khalils Gefolgschaft. Wer mochten sie dann sein?
    Außer einem unförmig dicken Mann, der der Anführer sein musste, weil er ununterbrochen irgendwelche Befehle schrie, stiegen alle von den Pferden. Einer rannte zum Wasser, füllte einen Becher und eilte damit zu dem fetten Bandenchef zurück. Nachdem dieser gierig getrunken hatte, wälzte er sich unbeholfen aus dem Sattel.
    Mit Grausen und Abscheu erkannte Joanna, wie schrecklich brutal diese bis an die Zähne bewaffneten Männer aussahen.
    Sie verstand nichts von dem, was gesprochen wurde. Erst als sie “… Abu AI Zouad” hörte, ging ihr ein Licht auf – und es verschlug ihr fast den Atem. Natürlich! Der

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