Der Falke des Pharao
des Amun, um etwas für Meister Ahmose zu erledigen, und dann mußte er Beltis hinterherjagen. Letzte Nacht sorgte ich dafür, daß Imsety und ich bis spät nach Mitternacht aus waren, ich wußte, daß Vater sich beruhigen würde, wenn er uns eine Weile nicht sah.«
»Und Ihr habt Euren Vater diese Nacht nicht mehr gesehen?«
»Oh nein, Herr. Wir aßen bei einem Freund zu abend. Sein Name ist Nu, er ist ein Sohn des Penamun. Und anschließend gingen wir in die Taverne, die man ›Auge des Horus‹ nennt, um Bier zu trinken und uns mit Frauen zu vergnügen. Ein amüsanter Abend.«
Meren erhob sich, und Djaper kam wieder auf die Füße. Meren schlenderte im Zimmer umher und sorgte dafür, daß sich Schweigen ausbreitete. Djaper fühlte sich viel zu wohl in seiner Anwesenheit, aber vielleicht war er auch unfair. Manche Männer besaßen eine natürliche Gelassenheit und Offenheit, die es ihnen ermöglichte, Schwierigkeiten mit Fassung zu begegnen. Ay gehörte zu diesen Männern. Und er selbst konnte ebenfalls einer Horde nubischer Banditen lächelnd gegenübertreten – solange er wußte, daß seine Familie in Sicherheit war.
Meren warf Djaper einen Blick zu und sah, daß dieser sich erhoben hatte und jetzt an einem seiner Regale lehnte. Ein Bein war angewinkelt und über das andere geschlagen. Er spielte wieder mit seinem Handgelenk, und Meren knirschte mit den Zähnen. Diese Angewohnheit Djapers verärgerte ihn; sie rief den Wunsch in ihm wach, das Brandmal zu reiben, welches sein eigenes Handgelenk unter dem goldenen Armreif verunzierte.
»Hormin war als gewissenhafter Mann bekannt. Man sagt, daß er sich gegenüber jedem im Amt für Aufzeichnungen und Tributzahlungen, der ihm zuhörte, über die Faulheit und Dummheit seiner Söhne beklagte. Hat er Euch vor anderen gezüchtigt?«
Während Meren gesprochen hatte, straffte sich Djapers bis dahin entspannter Körper. Sein Gesicht überzog eine feine Röte, und er senkte die Augen.
»Mein Vater kritisierte jeden.« Er brachte die Worte ruhig und betont lässig hervor, doch die rote Farbe wich aus seinem Gesicht, bis er fast totenbleich war.
»Ich wette, er kritisierte Euch am meisten von allen, da Ihr recht intelligent zu sein scheint. Soweit ich das beurteilen kann, war Euer kluges Herz für Hormin Salz in einer offenen Wunde.«
»Er war stolz auf mich«, sagte Djaper.
»Hat er das gesagt? Und Ihr habt ihn nicht gehaßt, weil er Euch vor Höherstehenden und Kollegen gedemütigt hat?«
Djaper schwieg einen Augenblick lang, dann verzogen sich seine Lippen zu einem vorsichtigen Lächeln. Er blickte Meren offen in die Augen, sie funkelten vor Witz.
»Der Herr ist weise, aber er vergißt, daß ein Vater streng sein und seine Söhne trotzdem lieben kann. So war es bei meinem Vater.«
»Ich verstehe. Dann wart Ihr also besorgt, als Euer Vater am Morgen nicht aufgefunden werden konnte.«
»Zuerst nicht. Wir nahmen an, daß er bei Beltis sei, und sie glaubte, er sei bei uns. Also erfuhren wir erst, als die Sonne aufgegangen war, daß er gar nicht zu Hause gewesen war. Ich suchte nach ihm, als ich den Diebstahl in seinem Arbeitszimmer entdeckte. Und dann kam der Priester und berichtete uns, daß er tot sei.«
»Ich möchte eine Liste der fehlenden Gegenstände haben«, sagte Meren. Er schritt langsam vor dem Tisch, auf dem sich flache Papyrusblätter stapelten, auf und ab. Dann blieb er davor stehen und warf einen Blick auf das zu oberst liegende Blatt. Es handelte sich um einen Steuerbericht des Gaus von Hare. »Ihr übt Euren Dienst für den Pharao sehr gewissenhaft aus, wenn Ihr am Abend noch arbeitet.«
»Das ist nicht der Rede Wert, Herr. Das Blatt war beschädigt, und ich schrieb es für meinen Vater ab. Jetzt bin ich fertig und werde es dem Aufseher morgen zurückgeben.«
Meren hob das Blatt in die Höhe. Darunter entdeckte er eine Ausgabe des Buchs der Weisheit, das schon seit Jahrhunderten von Schreiber zu Schreiber weitergegeben wurde. Er ließ das Papyrus fallen.
»Ihr erwähnt den Tod Eures Vaters gar nicht mehr. Vor einiger Zeit wart Ihr bereit, Beltis für diese Tat, ebenso wie für den Diebstahl anzuklagen.«
»Verzeiht Fürst Meren, aber ich habe niemals Beltis des Mordes an meinem Vater bezichtigt.« Djaper runzelte die Stirn. »Aber wenn ich darüber nachdenke … Beltis könnte…«
»Ich hasse weibische Flatterhaftigkeit«, sagte Meren. »Sprecht offen.«
Wieder senkten sich Djapers weit geöffneten Augen zu Boden und er errötete. »Beltis
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