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Der Falke des Pharao

Der Falke des Pharao

Titel: Der Falke des Pharao Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynda S. Robinson
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erneut einen besorgten Ausdruck annahmen.
    »Du siehst mich an«, sagte Kysen.
    »Mhmmm.«
    Kysen preßte die Lippen aufeinander und gab vor, den Deckel des Kästchens, das vor ihm stand, abzuwischen. Er hörte damit auf, als Meren anfing zu sprechen.
    »Du weißt über die Nekropole Bescheid?«
    »Der Wasserträger hat es mir gesagt.«
    »Hat er dich erkannt?« fragte Meren.
    »Er ist neu im Dorf«, sagte Kysen. Er ließ seinen Blick durch das Zimmer wandern, streifte die Stapel von Papyrusrollen und einen Wasserkrug. »Sein Vater dient dem Maler Useramun. Ich erinnere mich an Useramun. Seine Hüften schwabbelten, wenn er ging, und er bekam jedesmal einen Wutanfall, wenn der Gips an den Wänden der Gräber nicht glatt genug für seine Farbe war.«
    »Jedes Übel, das die Diener des Erhabenen Ortes betrifft, ist für den Pharao von Bedeutung. Vielleicht haben sie nichts damit zu tun, aber ich muß sichergehen.«
    Kysen ging um den Arbeitstisch herum und nahm neben seinem Vater Platz. »Morgen früh könnten wir nach dem ersten Schreiber schicken lassen.«
    »Du weißt, daß ich etwas anderes im Sinn habe.«
    »Du willst in das Dorf gehen?« Kysen errötete, als sein Vater eine seiner Augenbrauen hob. Besser als mit tausend Worten konnte Meren ihm mit dieser beredten Geste seiner Brauen das Gefühl geben, ein Narr zu sein.
    »Ich will nicht hingehen«, sagte Kysen.
    »Ich kann es nicht tun, Ky. Innerhalb von Minuten wüßte ganz Theben, daß ich dort bin. Der halbe Hof wäre mir auf den Fersen, entweder aus Neugierde oder um dafür zu sorgen, daß ich die Arbeit an ihren Gräbern nicht behindere. Und wieviel, glaubst du, bekomme ich aus den Schreibern und Handwerkern heraus?«
    »Wenig«, sagte Kysen. »Oh, du mußt es mir nicht sagen. Ich weiß. Ich bin derjenige, der ihre Sprache spricht. Ich bin derjenige, der sie kennt – zumindest kannte ich sie. Es ist schon zehn Jahre her.«
    »Vielleicht ist es gut für dich, wenn du zurückkehrst.«
    Kysen sprang so schnell hoch, daß er seinen Schemel dabei umwarf. Er ignorierte den Schemel, warf seinem Vater einen wütenden Blick zu, wandte sich ab und stützte sich mit beiden Handflächen auf den Arbeitstisch.
    »Die Feuergruben der Unterwelt, das war dieser Platz für mich«, sagte Kysen. »All die Zeit habe ich gebraucht, um mein Ka zu heilen, und du wünschst, daß ich dorthin zurückkehre. Du weißt, wie es dort war. Du hast mich gesehen, als Vater versuchte, mich in den Straßen von Theben zu verkaufen – die Striemen, die Prellungen, die so schwarz waren, daß ich in mondbeschienener Nacht nahezu unsichtbar gewesen wäre.«
    Meren erhob sich und ging zu Kysen hinüber. Kysen schreckte auf, als sein Vater eine Hand auf die seine legte.
    »Du hast deinen leiblichen Vater seit diesem Tag nicht mehr gesehen, Ky. Ich glaube, in deinem Herzen wohnt große Angst davor, ihm wieder zu begegnen, und sie wird immer größer, je länger du sie ignorierst. Haß führt dazu, daß die Wunden deines Ka zu eitern beginnen.«
    »Ihr Götter!« Kysen schüttelte Merens Hand ab. »Sollte ich ihn etwa nicht hassen? Du hast mir gesagt, es sei nicht meine Schuld gewesen, daß er mich schlug, meine Brüder jedoch niemals anrührte. Du hast drei Jahre gebraucht, um mich von meiner Unschuld zu überzeugen, aber ich versichere dir, wenn ich dorthin zurückkehre, dann wird er mich mit dem Widerwärtigen, das in meinem Herzen wohnt, konfrontieren.«
    »In deinem Herzen wohnt nichts Widerwärtiges. Es wohnt in Paweros Herzen. Stell dich ihm, Ky. Du bist nicht länger ein achtjähriges, hilfloses Kind. Ah, du hast geglaubt, daß ich deine größte Angst nicht kenne. Kehre in das Dorf zurück. Du mußt dich Pawero stellen, und sei es nur, um ihn dazu zu bringen, seine Schuld zuzugeben.«
    »Und während ich mein Monster von Vater zur Rechenschaft ziehe, soll ich die Bewohner des Dorfes ausspionieren.«
    »Wie ein pflichtgetreuer Sohn«, sagte Meren.
    »Dieser pflichtgetreue Sohn erinnert sich daran, daß er das Bett deiner ältesten Tochter in Brand gesetzt hat.«
    »Und erinnert er sich auch daran, danach drei Monate lang die Kapitel des Totenbuches abgeschrieben zu haben?«
    Kysen lehnte sich gegen den Arbeitstisch. Er schnaubte und beugte sich nach vorn, um den zu Boden gefallenen Stuhl wieder aufzuheben. Dann sah er, daß sein Vater neben ihm stand und ihn mit jenem mitleidigen und doch entschlossenen Gesichtsausdruck betrachtete, der ihm mittlerweile so vertraut war. Meren hatte beschlossen,

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