Der Falke von Aryn
das Nötigste reichen, morgen bekommt ihr dann weitere Mittel zugeteilt.« Sie beugte sich etwas vor, um ihn mit ihren grünen Augen zu durchbohren. »Vor allem aber will ich wissen, wo dieser Leutnant Serrik zu finden ist.«
»Ich weiß es nicht, Herrin«, sagte der Sergeant hilflos. »Ich weiß, dass er noch in der Stadt ist, ich habe ihn vor vier Tagen unten am Hafen gesehen, aber mehr weiß ich nicht. Aber ich kann die anderen fragen.«
»Wo am Hafen?«, fragte Lorentha.
Bosco zuckte mit den Schultern. »In der Schiefen Bank. Er unterhielt sich dort mit einem Seemann, trug neue Kleider, für ihn hat es sich wohl gelohnt.«
»Das werden wir noch sehen«, sagte die Majorin grimmig. Sie tippte auf Boscos Marke, die zwischen ihnen auf dem Tisch lag.
»Hat Serrik sein Abzeichen hiergelassen?«
»Nein«, knurrte Bosco. »Er hat alle Marken, die aus Silber oder besser waren, mitgehen lassen.«
»Dann geh zum Goldschmied und lass dir eine neue machen. Aus Silber. Denn hiermit befördere ich dich zum Leutnant und übertrage dir das Kommando über diese Garda!«
»Ich und Offizier?«, fragte Bosco ungläubig. »Ich eigne mich doch gar nicht dafür, das seht Ihr doch daran, in welchem Zustand dieser Ort ist … Ich wusste nicht, was ich tun soll, und ein Offizier hätte es doch gewusst!«
»Bosco …«, sagte die Majorin mit einem feinen Lächeln.
»Ja, Herrin?«
»Ich sehe es anders. Finde dich damit ab. Das ist jetzt deine Garda. Aber solange ich hier bin, werde ich dafür sorgen, dass ihr wieder stolz darauf sein könnt, Garda zu sein!«
Bosco seufzte.
»Ich bin besser, wenn andere die Befehle geben«, meinte er dann. »Aber wenn Ihr darauf besteht …«
»Ja«, schmunzelte Lorentha. »Ich bestehe darauf. Aber du brauchst dich nicht zu sorgen. An Befehlen wird es dir nicht mangeln.«
»Glaubst du ihm?«, fragte Raphanael, als Barlin antraben ließ und sich die Kutsche in Bewegung setzte. Er hatte die Fanfarenflinte wieder unter dem Sitz verborgen und lehnte sich bequem zurück.
»Ja. Es deckt sich mit dem, was ich in den Akten las«, antwortete Lorentha. Sie schüttelte den Kopf. »Als ich ihn da herausschlurfen sah, nahm ich mir vor, ihn als Ersten aufzuhängen, dabei hat er nur versucht, das Beste daraus zu machen. Ohne Mittel, nach all den Jahren der Verwahrlosung … wir können froh sein, dass sie nicht angefangen haben, Leute zu überfallen.«
»Er wusste nicht von einer Wacht für Mollmer und auch nichts von einer Petition dafür.«
»Ja. Aber es ist Serriks Unterschrift auf den Petitionen«, meinte Lorentha grimmig. »Bosco meint, Serrik wäre noch in der Stadt. Wenn das so ist, werden wir ihn finden. Götter, wie konnte es Mergton nur so weit kommen lassen! Er hätte dem Hauptmann schon vor Jahren den Prozess machen sollen.« Sie schüttelte verständnislos den Kopf. »Wer hat sich denn in all den Jahren um schwerere Verbrechen gekümmert?«
»Die Stadtwache, nehme ich an?«
Lorentha schnaubte. »Normalerweise ist die gerade mal gut genug, um einen Dieb zu fangen oder einen Alarm zu geben, wenn es irgendwo brennt. Sie sind nicht dazu ausgebildet, und es ist nicht ihre Aufgabe. Ich hörte schon, dass es schlimm wäre … aber so schlimm … Der Graf wird mir einiges erklären müssen.«
Graf Mergtons Geheimnis
25 Diesmal war der Graf anwesend, und als er hörte, dass die Majorin ihn sprechen wollte, ließ er sie sofort zu sich bitten. »Ich hörte, Ihr hättet Akten der Garda entwendet«, sagte er zur Begrüßung. Er schien nicht sonderlich erfreut darüber.
»Ich habe sie soeben Eurem Sekretär wieder in die Hand gedrückt«, sagte sie nachlässig. Er hatte ihr und Raphanael einen Stuhl angeboten, ein Angebot, das der Lord auch nutzte, er hatte sich etwas weiter weggesetzt, dorthin, wo er das Schauspiel in aller Ruhe gut verfolgen konnte. Je länger er sie kannte, umso mehr beeindruckte sie ihn, vor allem aber fand er ihre Selbstsicherheit faszinierend, denn sie stand stramm wie eine gespannte Feder vor dem Schreibtisch des Grafen und funkelte diesen an, als wäre er ihr Untergebener und nicht umgekehrt. »Es war notwendig, sich über den Stand der Dinge ein Bild zu machen. Bei den Göttern, Graf, wie konntet Ihr zulassen, dass es so weit kam? Könnt Ihr Euch vorstellen, welches Licht dies auf Euch wirft, wenn ich meinen Bericht schreibe?«
»Ja«, sagte Mergton nüchtern. »Das kann ich. Es wird mir schaden, aber weniger, als Ihr denkt. Doch ich hatte keine andere Wahl.«
»Wie
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