Der Falke von Aryn
ging hinüber an den kleinen Tisch, der in dem Bereich hinter der Theke stand, um den Wasserkrug zu greifen, sich damit erst das Gesicht zu befeuchten und dann einen Schluck zu trinken. Das war es also. Wahrscheinlich würde er morgen um die Zeit schon baumeln. Scheiß drauf, dachte er, das ist sowieso kein Leben mehr. »Auf Serrik braucht Ihr auch nicht zu hoffen«, fügte er hinzu und kramte in der Schublade, bis er das fand, was er suchte, sein eigenes Abzeichen, das er einst mit so viel Stolz getragen hatte. »Er hat sich schon vor sechs Wochen mit der Kasse abgesetzt.« Er versuchte, das stumpfe Abzeichen an seinem Ärmel zu polieren und gab es dann auf. Er legte es vor ihr auf die Theke und griff nach seinem Schwert, um in die Mündung einer Fanfarenbüchse zu blicken, die ausgerechnet der feine Herr ihm vor die Nase hielt … in diesem Moment erschien ihm der Lauf so weit, als könne man einen Karren darin parken.
»Bah«, meinte er und schob die Mündung mit der Hand zur Seite. »Ich will keinen Ärger, ich ergebe mich gerade, habt Ihr das noch nicht bemerkt?«
Er legte das Schwert vor der Majorin auf die Theke … grübelte, irgendetwas stimmte noch nicht, ach ja … und drehte es so, dass es mit dem Griff zu ihr da lag.
»Ich kann alles erklären«, meinte er dann müde. »Aber ich weiß nicht, ob Ihr es hören wollt.« Er nahm den schweren Schlüsselbund, der unter der Theke hing. »Soll ich mich selbst einsperren?«, fragte er und gähnte. Irgendwie war es eine Erleichterung, wenn er baumelte, war der ganze Ärger wenigstens vorbei.
»Was, in aller Götter Namen, geht hier vor?«, fragte die Majorin entgeistert.
»Seht Ihr doch«, gab Bosco Antwort. »Es ist alles vor die Hunde gegangen … viel Glück mit Eurem neuen Kommando, Major«, sagte er. »Ihr werdet es brauchen.« Er drehte sich um und schlurfte davon.
»Wo geht Er hin?«, fragte sie ungläubig.
Er hob den Schlüsselring und klapperte damit. »Zum Zellenblock. Aber hängen müsst Ihr mich schon selbst.«
»Sergeant Bosco«, peitschte ihre kalte Stimme über ihn. »Augen zu mir und stillgestanden!«
Faszinierend, dachte er, als er sich scheinbar ohne eigenes Zutun auf der Ferse umdrehte und Haltung annahm, dass das so tief in einem sitzt.
»Und jetzt?«, fragte er resigniert. »Wollt Ihr mich marschieren lassen?«
»Nein«, antwortete sie kalt. »Er sagt, Er könne dies alles erklären. Fange Er damit an.«
»Also«, fasste sie gut eine Stunde später all das zusammen, was er ihr gemeldet hatte. »Mollmer starb einfach so.«
»Ja, Ser«, sagte Bosco. Mittlerweile stand er nicht mehr, sondern sie saßen um den kleinen Tisch herum. »Kam die Treppe runter, wie üblich schlecht gelaunt und fluchend, dann stockte ihm die Stimme, und er fiel die Treppe herunter, als wäre er eine Marionette, der man die Fäden durchgeschnitten hätte. Ich glaub, der war schon mausetot, bevor er unten ankam.«
»Dann übernahm dieser Serrik das Kommando, schickte dich, den Leichenschauer zu holen, und als du wiederkamst, war dieser Serrik weg, zusammen mit der Geldkassette, welche die Mittel der Garda enthielt und den Sold für das Vierteljahr.«
»Ja, Ser.«
»Dann hast du seinen Namen gefälscht und die Kameraden, die sich unerlaubt aus dem Dienst entfernt haben, in seinem Namen entlassen?«
»Ja, Ser.« Bosco zuckte mit den Schultern. »Unehrenhaft, sie sind ja abgehauen. Aber sie wurden immer noch in den Büchern geführt, und wenn man sie irgendwo aufgegriffen hätte, wären sie als Deserteure hingerichtet worden.« Er kratzte sich hinter dem Ohr. »Das haben sie nicht verdient.«
»Dann hast du versucht, mit gefälschter Unterschrift beim Gouverneur neue Mittel anzufordern?«
»Ja«, nickte Bosco. »Aber ich bekam von seinem Sekretär nur die Antwort, dass die Mittel ja schon bewilligt worden wären und erst nächstes Jahr neu zur Verfügung stehen würden.«
»Ihr seid jetzt nur noch zu siebt, und ihr ernährt euch, indem ihr Gelegenheitsarbeiten für die umliegenden Händler ausführt?« Diesmal war es Raphanael, der die Frage gestellt hatte.
»Ja, Ser. Ehrliche Arbeit, Ser.« Der Sergeant seufzte erneut. »Keiner von uns hat in den letzten zwei Monaten seinen Sold gesehen. Wir waren mal Garda … wir hofften, so lange zu bestehen, bis die neuen Mittel angewiesen würden. Was dann gewesen wäre«, er zuckte mit den Schultern, »so weit denkt ein hungriger Magen nicht.«
»Und der Gouverneur?«, fragte Raphanael ungläubig. »Hat er sich
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