Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Titel: Der Falke von Aryn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
Vom Netzwerk:
die den Altar schmückte, sondern eine einfache Kerze.
    Sie nickte und hörte weiter zu. Seit dem Essen war er wieder schweigsamer geworden, mehr in sich zurückgezogen, und es fiel ihr durchaus auf, dass er das vertrauliche Du bereits wieder vergessen hatte.
    »Im Laufe von Jahrhunderten, in manchen Fällen Jahrtausenden, haben Orden Techniken entwickelt, dies, was so schwer zu greifen ist, greifbar zu machen. Die alten Meister fanden heraus, dass Magie einen eigenen Puls hat, einen Rhythmus besitzt, wie Musik, und oft waren die ersten Rituale auch Gesänge. Am Anfang waren diese Rituale umständlich, man musste sich dreimal nach links, dann einmal nach rechts drehen, einen Bocksprung machen und sich Salz auf die Nase stäuben, solche Dinge.« Er zuckte mit den Schultern. »Das meiste davon war unnötig und hielt sich, weil es beeindruckend aussah. Tatsächlich braucht es nur einen Rhythmus, ein bestimmtes Muster, eine Art Schwingung in den eigenen Gedanken, das den Puls der Magie beeinflusst und sie dazu bringt, das zu tun, was man will. Die erste Übung, die ein Lehrling lernt, ist die der Kerze. Ich brauchte fast ein halbes Jahr dazu, aber auch wenn Ihr es nicht mehr wisst, seid Ihr bereits ausgebildet. Ihr braucht Euch nur daran zu erinnern.« Er tippte die Kerze an, sie flammte auf und erlosch beim zweiten Tippen.
    »Diese Übung ist einfach. Ihr konzentriert Euch auf die Kerze, zwingt sie mit Eurem Willen zum Brand, und im Hintergrund Eurer Gedanken baut Ihr eine Abfolge von Bildern oder Tönen auf. Was Ihr verwendet, ist nicht wichtig, nur dass es dem Rhythmus folgt. Dumm-de-la-de-la. Wiederholt es, verändert Thema und Geschwindigkeit, aber behaltet diesen Rhythmus oder Puls bei. Irgendwann findet Ihr die richtige Art, dem Puls zu folgen und berührt Euer Talent damit, und es formt sich zu Eurem Willen. Versucht es.«
    Dumm-de-la-de-la. Es kam Lorentha bekannt vor. Dumm-de-la-de-la. Dumm-de-la-de-la. Es war wie bei den Stöckchenspielen, die ihre Mutter mit ihr so oft spielte, als sie noch ein Kind gewesen war. Dumm-de-la-de-la. Nur ging es nicht nur um Rhythmus, sondern auch um Form und Position der Stöckchen. Dumm-de-la-de-la. Zum Schluss hatten sie das Spiel ohne die Stöckchen gespielt, nur, indem sie sich Form, Position und Abfolge vorstellte … Dumm-de-la-de-la. Ganz zum Schluss war es ihr gelungen, Lage, Form und Abfolge auf einen Gedanken zusammenzufassen, der doch all das Vorherige enthielt, eine Struktur, ein Bild, eines, das sich um sich selbst rankte und doch und im Kleinen all das enthielt, was im Großen war, als ob man ein Blatt Pergament unendlich gefaltete hätte, auf dem alles, was darauf geschrieben stand, noch Bestand hatte, obwohl das Blatt so klein gefaltet war, als wäre es nicht mehr als ein Punkt, der um sich selbst gewunden war. Dumm-de-la-de-la.
    So .
    Eben brannte die Kerze noch nicht. Jetzt brannte sie. Sie entzündete sich nicht, kein kleiner Funken, kein Glühen, das erst wuchs, nein, eben war der Docht noch kalt und dunkel, im nächsten Moment war die Flamme da, ohne dass es ihrer Entstehung bedurfte.
    Lorentha lachte erleichtert, es war wie dieses wunderbare Stöckchenspiel, das sie so oft in eine wundersame Welt geführt hatte, in der ganze Bücher so gefaltet waren, dass sie nicht mehr waren als ein Sandkorn in einem Meer aus Sand.
    Dumm-de-la-de-la.
    Mit einem leisen Knistern fanden alle Kerzen in dem Raum die Flamme wieder.
    So.
    Die Flammen auf den Kerzen waren größer. Wieder waren sie nicht gewachsen, nicht geworden, sondern einfach größer. Nur weil sie in Gedanken dieses eine Sandkorn ausgeklappt hatte.
    So.
    Wieder sprangen die Flammen von einer Größe auf die andere und strahlten nun um vieles höher, während das Wachs immer schneller tropfte, zischte und in Rinnsalen herunterlief. Wieder klappte sie den Punkt weiter auf.
    Dumm-de-la-de-la.
    So.
    Die Kerzen flossen unter der Hitze ihrer Flammen wie Wasser davon, nur brauchte es jetzt keine Kerzen mehr.
    Dumm-de-la-de-la.
    So.
    Die Hitze prickelte auf ihrer Haut, und entfernt hörte sie jemanden etwas rufen, spürte, wie jemand sie schüttelte, doch es war so fern, und sie wollte wissen, wie es aussah, wenn sie dieses Sandkorn noch weiter entfaltete …
    Dumm-de-la…
    Brennendes Eis berührte ihre Haut am Handgelenk, die Flammen erstarben, das einzige Licht kam von der leuchtenden silbernen Kette, die man ihr um das Handgelenk geschlungen hatte, während jemand mit Kraft ihren Oberkörper auf den Altar

Weitere Kostenlose Bücher