Der Falke von Aryn
gelassen bleiben?«
»So schwer ist es nicht«, sagte der Graf und wies auf den Teller mit dem Gebäck. »Man darf sich einfach nicht aufregen. Greift zu, der Koch hat sich heute wieder selbst übertroffen.«
»Ich bin nicht wegen des Gebäcks gekommen«, knurrte Visal.
»Gut«, meinte der Graf und wies auf den Sessel, in dem eben noch Lord Raphanael gesessen hatte. »Dann setzt Euch wenigstens und lauft hier nicht so nervös auf und ab. Es besteht kein Grund zur Sorge.«
»Ach nein?«, meinte Visal grimmig. »Sie stecken ihre Nase überall hinein! Wisst Ihr überhaupt, wer die Majorin ist?«
»Wahrscheinlich besser als Ihr, Valkin«, sagte der Graf ruhig.
Der junge Lord schnaubte. »Das bezweifle ich doch sehr. Wisst Ihr, dass sie als Kind ein Teil eines Diebesgespanns war, das unten im Hafen Kaufleute und Seemänner ausgenommen hat? Sie hat einen von Vaters Leutnants umgebracht, als sie noch keine sechzehn war!«
Der Graf sah überrascht auf. »Robart?«
Der junge Lord nickte.
»Wenn ich mich richtig erinnere, hat er es nicht anders verdient«, sagte der Graf gelassen. »Aber in der Tat wusste ich das noch nicht. Dann ist dieser Ravan, der Wirt unten im Schiefen Anker , der andere Teil des Gespanns gewesen?«
»Raban heißt der Kerl«, knurrte Visal. »Er ist mir schon seit Langem ein Dorn im Auge. Erst kürzlich hat er einen meiner Leute abgestochen!« Es hielt ihn nicht mehr in dem Sessel und er sprang wieder auf. »Wir müssen uns ihrer entledigen!«
»Das werdet Ihr sein lassen«, sagte der Graf ruhig. »Selbst Euer Vater war in seinen Geschäften mit Robart vorsichtig, der Kerl war unberechenbar. Wenn es Lorentha war, die damals diesen Ochsen abgestochen hat, dann solltet Ihr Euch fragen, wie gefährlich sie heute ist. Ihr habt bemerkt, dass sie die Schwerter einer Walküre trägt, ja?«
»Aber sie stecken die Nase in unsere Angelegenheiten, überall stellen sie Fragen und drehen jeden verdammten Stein um!«
Der Graf seufzte. »Valkin. Sie wissen nichts. Gar nichts. Sie suchen überall, nur nicht an den richtigen Stellen. Und selbst wenn sie etwas finden, werden sie viel Zeit brauchen, bis sie verstehen, was hier geschieht.«
Der junge Lord sah ihn misstrauisch an. »Ihr wart noch nie davon überzeugt, dass es der richtige Weg ist«, grollte er. »Und versucht nicht, mich damit zu erschrecken, dass sie die Schwerter eines Ordens trägt.«
»Ich sagte es Eurem Vater schon, und jetzt sage ich es Euch«, antwortete der Graf gleichmütig. »Es gibt nur einen Weg, Euer Ziel zu erreichen. Indem Ihr Euch an die Gesetze haltet.« Er musterte den jüngeren Mann. »Ihr habt den Falken stehlen lassen, nicht wahr?«
»Und wenn es so wäre?«, fragte der Lord aufgebracht.
»Dann war es ein Fehler«, sagte der Graf ruhig. »Erwartet nicht, dass ich Euch in dieser Angelegenheit unterstütze. Euer Vater war genauso. Er wollte Abkürzungen gehen, ihm fehlte es wie Euch an Geduld.«
»Setzt Euch nicht auf ein hohes Ross«, schnaubte der Manvare erregt. »Ihr steckt genauso mit drinnen wie wir alle!«
»Nein«, antwortete der Graf, »ich halte mich an die Gesetze. Und wenn Lorentha und Lord Raphanael Euch wegen des Falken auf die Spur kommen, rühre ich keinen Finger, wenn sie Euch am Halse hochziehen.«
»Auf welcher Seite steht Ihr eigentlich?«, fragte der junge Lord hitzig.
»Auf meiner«, antwortete der Graf. »Wie Ihr auf Eurer steht. Es ist nicht nötig, dass wir einander Freundschaft vorheucheln, jeder von uns vertritt seine eigenen Interessen. Auch Euer Berater … und hättet Ihr auf mich gehört, hättet Ihr dieses Problem gar nicht erst. Es ginge alles seinen Gang.« Er beugte sich etwas vor, um den Manvaren mit einem harten Blick zu bedenken. »Haltet Euch zurück, was Lord Raphanael und Lorentha angeht. Wenn Ihr gegen sie vorgeht, werde ich Euch meine Unterstützung entziehen. Dann könnt Ihr mit kaiserlichen Truppen diskutieren, während die Advokaten in Augusta Euren Anspruch prüfen … und Ihr werdet Euch denken können, wie es ausgeht.«
»Ihr droht mir?«, fragte Visal fassungslos.
»Ich rate Euch«, sagte der Graf und aß das letzte Stück seines Gebäcks, um dann zu seiner Tasse zu greifen. »Genau wie ich Euch rate, diesen Raban anders anzugehen.«
»Und wie? Soll ich ihn etwa zum Tee einladen?«
»Nein«, sagte der Graf. »Ihr geht hinaus zu Fellmar und beschreibt ihm einen Mann, den Ihr im Verdacht habt, Euren Mann erschlagen zu haben. Mein Sekretär stellt einen Steckbrief auf
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