Der Falke von Aryn
presste, so fest, dass sie kaum noch Luft bekam. Dort, wo ihr Kopf den Altar berührte, schimmerte das Metall in Wellen, die von ihr ausgingen; dies hatte eine Bedeutung, einen Sinn, doch im Moment verstand sie ihn nicht. Nur dass jemand sie mit harten Händen zwingen wollte … Sie trat nach hinten aus, duckte sich und drehte sich auf ihrem Absatz und spürte mit Genugtuung, wie ihr anderer Stiefelabsatz etwas traf, das gequält »Ouff« sagte, dann riss sie sich von der Kette los … sie erlosch, und Lorentha stand inmitten der absoluten Dunkelheit schwer atmend da.
»Lorentha«, hörte sie Raphanael keuchen. »Genug.«
Ein Funken stieg auf und entzündete einen Docht in einer Lache aus Wachs. Das Licht flackerte unruhig, aber es reichte, um Raphanael erkennen zu können, seine gerötete Haut, die angesengten Augenbrauen und seine geröteten Augen.
Die Hitze in dem kleinen Raum war unerträglich, als ob sie sich in einem Ofen befinden würden, und ihre Gesichtshaut spannte. Raphanael fluchte, als er sich an dem Riegel der Tür verbrannte, wickelte eine Hand in seinen Ärmel und stieß den Riegel zurück, um hinauszutaumeln, dorthin, wo die Luft kühl war und nicht mit jedem Atemzug die Lungen verdorrte.
Sie folgte ihm auf unsicheren Füßen und lehnte sich außerhalb des Kellers an die Kellerwand, um langsam an ihr herabzurutschen und erschöpft die Augen zu schließen, sie fühlte sich, als wäre sie hundert Meilen am Stück gerannt.
»Was … was ist geschehen?«, fragte sie mühsam.
»Du hast die Kerze angezündet«, antwortete Raphanael rau. »Nur etwas zu sehr. Lorentha«, keuchte er. »Du musst zu den Walküren gehen. Sie müssen dir zeigen, wie du dein Talent beherrschst! Ich dachte, unsere Traditionen der Magien wären ähnlich genug, um dir zu zeigen, wie du es tun kannst, aber wie es aussieht, habe ich mich darin gründlich getäuscht!« Er schüttelte ungläubig den Kopf. »Du musst eine Ausbildung erfahren haben, aber ich weiß nicht, wie!«
»Ich weiß es wieder, Raphanael«, sagte sie leise. »Und ich weiß jetzt auch, warum die Walküren zwei Atanamés tragen. Du hast es selbst gesagt, sie fokussieren und lenken damit die Magie.« Denn es waren immer zwei Stöckchen gewesen, mit denen sie gespielt hatten. Ein großes und ein kleines. Sie wies mit einer müden Geste zu ihren Waffen hin, die auf einem Tisch im Gang lagen. »Unser Fehler war, sie nicht mit hineinzunehmen. Denn indem ich sie leuchten lasse, leiten sie die Magie ab, genauso wie diese silberne Kette. Ich brauche sie nicht für die Magie, den Zauber, ich brauche sie, um ihn zu beenden … um nicht in diesem Puls aufzugehen.« Sie lächelte schwach. »Raphanael, solange ich sie bei mir trage, besteht keine Gefahr, dass so etwas wie in der Kutsche noch einmal geschieht.«
»Du erinnerst dich, wer dich ausgebildet hat?«, fragte Raphanael.
»Ja«, sagte sie leise. »Es war meine Mutter. Sie hat mit mir immer wieder ein Spiel gespielt. Cantares , nannte sie es. Das Stöckchenspiel.«
»Gesänge?«, sagte Raphanael nachdenklich. »Es ergibt Sinn. Gesang ist die älteste Form.«
Sie schüttelte müde den Kopf. »Kein Gesang. Nur Form. Ausgedrückt in Stellung und Bewegung beider Atanamés zueinander. Baileras Espadir. Der Tanz der Schwerter. Ich dachte, sie spielt mit mir, weil es uns Freude bereitet hat, in Wahrheit aber hat sie mich ausgebildet. Seitdem ich denken kann.«
Er musterte sie sorgfältig. »Also weißt du jetzt, wie …«
»Ich weiß jetzt, wie ich Kerzen schmelzen kann. Mehr will ich nicht wissen. Ich trage meine Schwerter schon seit vier Jahren. Es ist nie zuvor etwas geschehen. Es mag sein, dass die Kleider meiner Mutter etwas ausgelöst haben, aber ich hätte nur meine Schwerter halten müssen, und es wäre nichts geschehen. Es reicht mir, das zu wissen, mehr brauche ich nicht.« Sie tat eine Geste in Richtung der offenen Tür, aus der noch immer warme Luft in den Gang strömte. »Das ist nichts für mich. Wenn ich mich umbringen will, kenne ich noch andere Mittel.«
»Du kannst deinem Erbe nicht den Rücken kehren«, sagte Raphanael leise. »Es ist in dir.«
»Mag sein«, nickte die Majorin. »Aber es war schon seit meiner Geburt in mir, es kann auch noch länger in mir bleiben.«
»Aber warum?«, fragte Raphanael verständnislos. »Warum sich dieser Gabe verwehren? Es ist ein Geschenk der Götter!«
»Ein Fluch, meinst du wohl«, sagte Lorentha rau und stützte sich an der Kellerwand ab, als sie mühsam
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