Der Falke von Aryn
zu mir gesagt, dass wir über bestimmte Dinge nicht aneinandergeraten sollen, ich versuche mich daran zu halten! Und da ich dir davon nichts erzählen darf, darfst du auch nicht verlangen, dass ich dir ins Messer laufe, weil ich von gestohlener Ware rede!«
»In Ordnung«, seufzte sie. »Du kannst dir die Umschreibungen sparen. Ich sag dir schon, wenn ich etwas nicht hören will.«
»Gut«, meinte Raban erleichtert und fluchte, als ihm ein Lastkarren in den Weg rollte, zum Glück war der alte Gaul wenig schreckhaft und sowieso so träge, dass es Raban keine Mühe bereitete, den Einspänner rechtzeitig zum Halten zu bringen. »Während ich also verhandelte, sah ich durch eine angelehnte Tür, wie zwei Männer Schwerter in eine Kiste umluden, ich schätze, es waren etwa zwei Dutzend Stück. Nagelneue Armeeschwerter, der Form nach aus Aragon, nur die Klingen, kein Heft und kein Querstück. Die Klingen waren in Holzbohlen versteckt.«
Lorentha nickte, diese Information konnte nützlich sein.
»Einer der Männer war mir bekannt, er prahlt öfter damit, dass er ein Loyalist ist. Kalus ist sein Name, und er steht in Diensten von Lord Visal. Der ebenfalls kein Freund des Kaiserreichs ist. Sie sprachen leise, aber ich konnte sie einigermaßen verstehen. Kalus fragte diesen anderen, wie er sich denn sicher sein könnte, dass man diesmal wirklich die Schwerter gegen die Tyrannei des Kaisers erheben würde. Der andere schaute zu mir hinüber und verbot Kalus dann den Mund.«
»Die Schwertklingen sind bedenklich, aber es gab schon immer Loyalisten in Aryn, die gerne das Maul aufreißen«, meinte Lorentha.
»Der Unterschied besteht darin, dass genau dieser Kerl mir auflauerte, als ich später dorthin zurückging, um das Gold für die Ware abzuholen. Hätte er von mir verlangt, ihm das Gold zu geben, wäre es immer noch dumm von ihm gewesen, doch das hätte ich wenigstens verstehen können. So aber sagte er: ›Tut mir leid, du hast zu große Ohren‹ und griff mich sofort an.« Raban steckte die Hand in eine Tasche seines Wamses und reichte ihr eine Knochenscheibe, in die auf der einen Seite grob erkennbar der Umriss eines Falken eingebrannt war. »Das hat er dabei gehabt.«
»Hat er noch etwas anderes gesagt?«, fragte sie, während sie die Knochenscheibe begutachtete.
Raban zuckte mit den Schultern. »Ich hätte ihn ja gerne für dich ausgefragt, aber er gab nur noch gurgelnde Geräusche von sich, er hatte wohl zu viel Blut im Mund.«
»Schade«, meinte sie ungerührt. »Aber dieser Kalus wird etwas wissen.«
»Mag sein, aber er wird es auch nicht sagen. Ich hatte zu große Ohren und Kalus wohl einen zu großen Mund. Man fand ihn vorhin im Hafenwasser treibend.« Er schaute kurz zu ihr zurück. »Wir kennen alle das Geschwätz der Loyalisten, doch meistens ist es nur der Schnaps, der aus ihnen spricht. Üblicherweise nehme ich so etwas nicht mehr ernst. Es sei denn, man versucht, mich abzustechen.«
Sie nickte langsam. »Verständlich.«
»Es sagt uns noch etwas anderes«, meinte Raban. »Ohne zu bescheiden wirken zu wollen, behaupte ich, dass niemand sich mir mit einem Messer in den Weg stellen wird, der mich kennt oder auch nur von mir gehört hat. Der Mann kannte mich nicht, und ich kann mich auch nicht erinnern, ihn jemals in der Gegend gesehen zu haben. Er sagte zwar nicht viel, aber sprach mit einem Akzent, den ich von Seeleuten aus Aragon kenne. Er kam wohl mit den Schwertern her. Was sagt dir das?«
»Dass diesmal Aragon die Finger mit drin hat«, stellte Lorentha grimmig fest. »Egal, wie ein Aufstand hier enden würde, er würde dem Kaiserreich Kräfte binden und ihm schaden. Abgesehen davon, dass der Handel lange brauchen würde, um sich zu erholen.« Sie musterte die Knochenscheibe. »Dann ist das hier wohl so etwas wie ein Erkennungszeichen.«
»Ja«, nickte Raban. »Nachlässig von ihm, zu sterben und sie mir zu überlassen, nicht wahr?«
»Raban«, sagte sie leise. »Höre mit den Scherzen auf. Das ist kein Spaß.«
»Das fiel mir auch auf, als der Kerl mir an die Kehle ging«, sagte Raban trocken. »Also sage mir, was mit dem Falken ist. Dass du danach fragst und dieser Mann diese Scheibe bei sich hat, ist sicherlich kein Zufall.«
»Der Falke wurde nicht gestohlen«, beharrte Lorentha. »Du kannst ja selbst in den Tempel gehen und nachsehen.«
»Du würdest mich auch nie anlügen, nicht wahr?«, grinste er, wurde dann aber wieder schnell ernst. »Es gibt eine Kopie von dem Falken. Als Kind war
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