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Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Titel: Der Falke von Aryn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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Gnade walten, Eure Lordschaft«, sagte sie lächelnd, während sie sich darüber wunderte, wie leicht er sie zum Lachen brachte. Dabei war ihr eigentlich gar nicht danach. »Nur, spart Euch den Zierrat das nächste Mal. Warum wart Ihr in Sorge?«
    »Meine Mutter. Baroness Renera …« Er seufzte. »Ich nehme an, mittlerweile hattet Ihr das Vergnügen, sie kennenzulernen?«
    »Ja«, seufzte sie. »Ich kam vom Einkauf zurück und fand sie im kleinen Salon vor, wo sie und die Gräfin miteinander tuschelten, als wären sie Tempelmädchen, die gemeinsam etwas ausheckten. Als das Mädchen mich meldete, zuckten sie fast zusammen und sahen schuldbewusst drein. Wollen wir nicht hineingehen?«
    So leicht ließ er sich nicht ablenken. »Was hat sie gesagt?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Sie hatte Fragen.«
    »Welche Art von Fragen?«
    Sie rollte mit den Augen. »Etwa die, die man einem Pferdehändler stellt … es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte gefragt, ob mein Fell immer so glänzt oder ob ich mich zur Zucht eigne.«
    »Oh, Götter«, stöhnte er. »So schlimm?«
    Sie lachte. »Nein, natürlich nicht. Eure Mutter ist eine Dame, sie tat es wesentlich geschickter und vor allem vornehmer, aber es lief in etwa auf das Gleiche heraus. Dann vollführte sie die erste Kehrtwendung, um mich mit wohlgesetzten Worten davor zu warnen, Euch allzu ernst zu nehmen, Ihr wäret zwar ein Ehrenmann aber einer, der sein Leben leichtfertig lebt und die Freiheit liebt, und dass ihr nicht die Absicht hättet, jemals wieder zu ehelichen, weshalb Ihr auch Liebschaften bevorzugen würdet. Selbstverständlich sehr diskret.«
    Er gab einen leisen Laut von sich, der verdächtig einem Winseln ähnelte.
    »Dann vollführte sie die zweite Kehre«, fuhr Lorentha unbarmherzig fort. »Sie pries Euch in Folge an wie einen Ochsen, oder besser Stier, lobte Euren Wissensdurst und Eure Leidenschaft und erwähnte nebenbei als Beweis für Eure Lendenstärke ihre prachtvolle Enkelin, auf die sie nicht minder stolz wäre als auf Euch.« Sie tat eine nachlässige Geste. »Wollt Ihr noch mehr hören? Sie erzählte auch Geschichten aus Eurer Kindheit und …«
    »Nein, nein«, wehrte er hastig ab, während er ein Husten zu unterdrücken schien. »Wenden wir uns doch besser erfreulicheren Dingen zu.«
    Sie hob fragend eine Augenbraue. »Einer Leiche?«
    »Glaubt mir«, sagte er gepresst, während er sich gegen das schwere Tor lehnte, um es aufzudrücken. »Von meiner Warte her gesehen, ist es vorzuziehen!«
    So wie ihre Augen funkelten, war sich Raphanael nicht ganz sicher, ob sie ihn nicht doch gefoppt und maßlos übertrieben hatte, auch wenn das alles seiner Mutter zuzutrauen wäre.
    Das Tor des Tempels war vor Jahrhunderten dafür geschaffen worden, selbst Belagerungen standzuhalten. Meistens standen die alten Tore offen, was zur Folge hatte, dass sie über die Jahre schwergängig geworden waren. Erst als sich auch Lorentha dagegenstemmte, schwang es leichter auf. Was dafür sprach, dass mehr als eine Person an dem Diebstahl beteiligt war, da die beiden Priester in der besagten Nacht das Tor geschlossen vorgefunden hatten.
    Ein Novize eilte herbei, um ihnen ernst zuzunicken und dann mit dem letzten Stück zu helfen, anschließend schoben sie es zu, der Novize allerdings blieb vor dem Tor, um Gläubige, die den Tempel zum Gebet betreten wollten, auf später zu vertrösten.
    »Ich gab Anweisung, den Tempel so herzurichten, wie der Kardinal und Bruder Alfert ihn erinnern«, erklärte er leise, als er gemeinsam mit ihr zum Altar ging.
    Lorentha nickte kurz und sah sich neugierig um, aber ihr Hauptaugenmerk galt den drei Personen, die dort am Fuß der Göttin auf sie warteten, und dem in eine weiße Novizenrobe gekleideten Toten, der bäuchlings über dem schmiedeeisernen Zaun hing. Allein wie er da hing, bot er schon einen grausigen Anblick, und sie konnte verstehen, dass es der Hohepriesterin schwergefallen war, dieser Nachstellung zuzustimmen, oder warum der Kardinal Anweisung erteilt hatte, alle Spuren dieser grausigen Tat zu entfernen.
    Raphanaels Schwester trug die kostbar bestickte Robe einer Hohepriesterin ihres Glaubens und war als solche leicht zu erkennen, aber es hätte dieser Robe nicht bedurft, Lorentha hätte sie so oder so erkannt. Sie war vielleicht vier oder fünf Jahre älter als seine Lordschaft, dennoch ähnelten sie sich, als wären sie Zwillinge, die gleichen feinen Gesichtszüge, die gleichen dunklen Augen und langen Wimpern. Doch in

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