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Der Falke von Aryn

Der Falke von Aryn

Titel: Der Falke von Aryn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Schwartz
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»Warum?«
    »Deshalb«, sagte sie und hängte sich in seinem Arm ein, um sich dann an ihn zu lehnen. »Sieht man meine Pistole auch?«
    »Sie ist eine Handtasche«, erklärte er.
    Sie lachte. »Das ist praktisch. So etwas wäre mir tatsächlich öfter von Nutzen.«
    Auch wenn Häuser dieser Art hauptsächlich in der Nacht ihre Kundschaft fanden, so waren sie doch selten genug geschlossen. Der Unterschied bestand wohl hauptsächlich darin, dass die Schläger tagsüber nicht vor der Tür standen, sondern im Inneren des Hauses warteten.
    In diesem Haus war es heute nur einer, ein großer Mann mit breiten Schultern, die nicht zu dem feinen Anzug passen wollten, den er trug. Und auch nicht zu dem zerschlagenen Gesicht, das die Spuren zahlloser Auseinandersetzungen trug.
    »Ihr seid früh heute, Eure Lordschaft«, begrüßte der Mann Raphanael, um dann misstrauisch Lorentha zu mustern. »Und in Begleitung.«
    »Wir dachten an etwas Ungewöhnliches«, antwortete Lorentha, bevor Raphanael etwas sagen konnte. Sie sah sich unauffällig um. Es entsprach dem, was sie erwartet hatte, nur dass dem Plüsch und den Seidenvorhängen, die dem Haus seine Vornehmheit geben sollten, bei Tag etwas der Glanz abging. »Er wird auch extra dafür zahlen. Wir suchen ein Mädchen, etwa so groß«, sie hob die Hand, um die Größe anzuzeigen, und beschrieb das Mädchen aus Raphanaels Vision.
    »Ihr meint Marbeth. Nur kommt Ihr zu spät«, meinte der Schläger rau und schniefte. Überrascht sah Lorentha, wie seine Augen feucht wurden.
    »Ihr ist etwas geschehen?«, fragte sie sanft.
    Der Mann nickte. »Sie ging vorgestern Abend aus dem Haus, und heute hörte ich, dass man sie in einer Gasse unweit von hier gefunden hat, und das, obwohl wir die Schutzgelder immer pünktlich bezahlt haben.«
    »Ihr habt sie gemocht«, stellte Lorentha fest.
    »Ja«, meinte der Mann und bedachte sie mit einem harten Blick. »Was habt denn Ihr gedacht? Sie war eine von den Lieben, besaß sogar einen Freund, der ihr die Hoffnung gab, eines Tages abhauen zu können … keiner von uns hat ihr das Leben hier gewünscht. Aber sie hat es nicht geschafft.« Jetzt musterte er Raphanael mit einem bösen Blick, obwohl der noch gar nichts gesagt hatte. »Ihr zahlt mit Gold für Euer Vergnügen, Eure Lordschaft. Die Mädchen manchmal mit ihrem Leben.«
    »Wir gehen besser«, meinte Lorentha hastig.
    »Wieso?«, fragte der Mann bitter. »Solange er das Gold hat, haben wir die Mädchen. Sucht Euch einfach eine andere aus.«
    »Das wird nicht nötig sein«, sagte Lorentha eilig. »Hat sie sich an dem Abend mit jemandem getroffen?«, fragte sie.
    »Sie wollte ihren Liebhaber aufsuchen. Nicht dass es Euch etwas angeht.«
    »Und dieser Liebhaber? Wer war das?«
    »Ein Novize im Tempel auf der anderen Seite. Er kam sonst fast jeden Tag hierher, nur die letzten Tage nicht mehr. Er hat nicht mal nach ihr gefragt. So wichtig war sie ihm wohl doch nicht.«
    »Oh, ich glaube schon«, sagte Lorentha leise. Der Mann sah misstrauisch auf.
    »Danke«, sagte Lorentha rasch. »Ihr habt uns sehr geholfen.«
    »Warum habt Ihr nichts gesagt?«, fragte Lorentha, kaum dass sie erleichtert das Haus verlassen hatten.
    »Abgesehen davon, dass ich kaum zu Wort gekommen wäre?«, meinte er mit einem schiefen Lächeln.
    Sie lachte. »Abgesehen davon.«
    »Er kannte den Mann, dessen Aussehen ich angenommen habe. Und vielleicht auch seine Stimme. Ich wollte keinen Fehler begehen«, antwortete Raphanael. »Dieses Mädchen. Marbeth. Noch ein Opfer dieses Raubs, denn bei ihr bin ich mir sicher, dass es kein Unfall war.« Er seufzte. »Wenn es denn stimmt, was der Mann gesagt hat.«
    »Oh, ich glaube ihm«, sagte Lorentha bedächtig. »Er hatte keinen Grund, sich so zu geben, tatsächlich hätte er sich Ärger eingehandelt, hätte der Besitzer des Hauses ihn so mit einem Kunden reden hören.« Sie sah zu dem Hurenhaus zurück. »Ich hasse solche Orte«, sagte sie dann leise.
    »Das kann ich verstehen«, meinte Raphanael, doch sie schüttelte den Kopf.
    »Ihr versteht mich falsch«, sagte sie leise. »Ich hasse solche Häuser, weil das Elend manchmal so groß ist, dass sie einem wie die beste Wahl erscheinen.«
    Er blieb stehen und schaute sie nachdenklich an. »Habt Ihr solches Elend selbst erlebt?«, fragte er sanft.
    Sie nickte zögernd. »Ich weiß nicht, warum ich Euch das anvertraue«, gestand sie ihm dann. »Ihr … ihr wisst bereits, dass der Schuss, der meine Mutter getötet hat, auch mich getroffen hat.

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