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Der Fall Collini

Der Fall Collini

Titel: Der Fall Collini Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ferdinand von Schirach
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Knien vor dem Kamin. Als der Hund sich erholt hatte, schenkte er ihn einer Familie im Dorf. Er tauge nicht für die Jagd, hatte er gesagt.
    Leinen sagte dem Bäcker, dass er wahrscheinlich recht habe, und ging in seine Wohnung. Am Abend rief er Johanna an. Er sagte, er könne nicht anders,er müsse Collini weiter verteidigen. Sein Mandant werde gestehen, das sei aber alles, was er tun könne. Es wurde ein langes Gespräch. Johanna war erst wütend, dann hilflos und schließlich verzweifelt. Sie fragte immer wieder, warum dieser Mann es getan habe. Sie nannte ihn nur »diesen Mann«. Sie weinte.
    »Soll ich zu dir kommen?«, fragte er, nachdem sie alles gesagt hatten. Sie schwieg lange. In der Stille hörte er ihre Armreifen aus Holz aufeinanderschlagen.
    »Ja«, sagte sie schließlich, »aber ich brauche Zeit.«
    Als sie auflegten, war er müde und einsam.
    Zwei Wochen später gestand Fabrizio Collini. Das Vernehmungszimmer in dem alten Gebäude in der Keithstraße war eng, zwei lichtgraue Schreibtische, ein Fenster, lauwarmer Filterkaffee aus Henkeltassen. Der Stuhl, auf dem Collini saß, war zu klein für ihn. Zwei Polizisten hatten die Vernehmung vorbereitet, die Akten der Staatsanwaltschaft lagen vor ihnen, gelbe Zettel klebten auf den Seiten, zu denen sie Fragen stellen wollten. Der ältere der beiden leitete diese Abteilung der Mordkommission, er hatte drei erwachsene Kinder und eine Schwäche für Pralinen. Sechsunddreißig Jahre Polizeidienst hatten ihn nicht zynisch, sondern gelassen gemacht, er sah die Beschuldigten als Menschen, ließ sie reden und hörteihnen zu. Der andere Beamte war noch neu in der Abteilung, er kam vom Dezernat für Drogendelikte und war nervös. Häufiger als seine Kollegen ging er auf den Schießstand, seine Schuhe waren jeden Morgen blank geputzt, seine Freizeit verbrachte er in einem Sportstudio.
    Der Jüngere legte Collini eine Bildermappe vor, Tatortfotos auf gelbem Karton, überscharfe Aufnahmen des zertrümmerten Kopfs des Toten. Leinen wollte protestieren, als der Alte scharf zu seinem Kollegen sagte, das sei nicht nötig, Collini gestehe doch. Der Alte wollte die Mappe vom Tisch nehmen, aber Collini hatte seine großen Hände darauf gelegt und presste sie auf den Tisch. Als der Alte die Mappe losließ, zog Collini sie zu sich und klappte sie auf. Er beugte sich vor und sah sich jedes einzelne Bild an. Er ließ sich Zeit. Lange sprach niemand im Zimmer. Nachdem er fertig war, klappte er die Mappe zu und schob sie zurück über den Tisch. »Er ist tot«, sagte Collini und sah dabei nur den Tisch an. Dann erklärte er, wie er sich als Journalist ausgegeben und telefonisch mit Meyers Sekretärin einen Termin vereinbart hatte, wie er in die Hotelsuite gegangen war und ihn getötet hatte. Als er nach der Waffe gefragt wurde, sagte er, er habe sie in Italien auf einem Flohmarkt gekauft.
    Leinen saß neben seinem Mandanten, manchmal korrigierte er eine Formulierung, die die Polizistenins Protokoll aufnehmen wollten, ansonsten zeichnete er Strichmännchen auf einen Block. Leinen hatte Collini die Sache erklärt: Ein Beschuldigter könne immer schweigen, aber wenn er gestehe, müsse der Richter ihn milder bestrafen. Das gelte nicht für einen Mord – dort sei die Strafe immer lebenslänglich. Aber bei einem Totschlag helfe das Geständnis.
    Nach zwei Stunden hatten die Polizisten keine Fragen mehr zur Tat. Leinen stand auf und erklärte, die Vernehmung sei nun beendet. Die Beamten waren überrascht.
    »Bitte, wir wollten doch nun zum Eigentlichen kommen – zum Motiv Ihres Mandanten, Herr Leinen. Wir müssen über das Motiv sprechen«, sagte der Alte.
    »Tut mir leid.« Leinen blieb höflich. Er legte den Block zurück in die Aktentasche. »Fabrizio Collini hat die Tat gestanden. Weiter wird er sich nicht äußern.«
    Die Beamten protestierten, aber Leinen blieb dabei. Der Alte seufzte und räumte die Akten zusammen, ihm war klar, dass er nichts machen konnte. Der junge Polizist wollte nicht aufgeben. Als am späten Nachmittag der gepanzerte Bus vorfuhr, um den Gefangenen von der Dienststelle zurück ins Gefängnis zu bringen, setzte er sich zu Collini auf die Rückbank. Er könne auch ohne seinen Anwalt reden,sagte er. Leinen sei sicher nett, aber jung und ohne Erfahrung in Mordsachen. Junge Anwälte rieten ihren Mandanten oft nicht das Richtige, sie machten alles schlimmer.
    Collini sah ihn nicht einmal an, er schien zu schlafen. Aber als der Polizist noch näher heranrückte und

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