Der Fall D. - Eine Stalkerin packt aus
Zimmer.
Eisiges
Schweigen. „Was ist denn mit dir?“ Schweigen ...
Dann
plötzlich stand er auf, zog seine Wanderschuhe und die Winterjacke an und
verschwand, ohne ein Wort zu sagen, mit seinen beiden Hunden im Wald.
Stundenlang ... und ich wartete.
Als
er wiederkam, unterbreitete er mir, ich würde zu viel essen und hätte mir den
Nachschlag gefälligst verkneifen können!
Ich
fühlte mich leer, klein und auf einmal auch fett und ich verstand die Welt
nicht mehr.
Zu
Hause bei uns spielten sich mittlerweile Dramen ab. Meine Mutter trennte sich
von meinem Vater und es war die Hölle los. Wäschekorbe voller Porzellan flogen
in hohem Bogen in den Garten, Krieg war ausgebrochen.
Ich
verkrümelte mich so oft es eben ging zu Rudi, ich wollte das alles nicht sehen.
Meine Mutter mietete sich eine kleine Wohnung in der Stadt und ich zog mit ihr
zusammen aus. Sie renovierte wie eine Wahnsinnige und zauberte aus dieser
Bruchbude eine Puppenstube. Nebenbei leistete sie in einer Fabrik schwerste
körperliche Arbeit in drei Schichten. Sie kaufte sich ein Mofa, um täglich
dorthinfahren zu können, denn für ein Auto reichte das Geld vorne und hinten
nicht. Schließlich hatten die Schulden, die mein Vater ständig machte, ihr
gesamtes Erspartes, das sie sich abends oder nachts durch Nähen verdiente,
aufgebraucht. Diese Näharbeit verrichtete sie außerdem noch neben der Schicht.
Eines
Tages kreuzte mein Vater auf. Er drang mit Gewalt in die Wohnung ein und selbst
mein Bruder Sven, der zufällig zu Besuch da war, konnte ihn trotz kräftiger Statur
nicht davon abhalten. Mein Vater sah aus als, wäre er jetzt völlig irre. Sein
Blick war starr wie der einer Leiche. Meine Mutter versteckte sich in meinem
Zimmer hinter der Tür. Ich hatte ein paar Tage vorher die Glühbirne mit
Wasserfarbe in mehreren Schichten dunkelrot übertüncht. Es war also selbst bei
Licht so dunkel, dass er sie nicht sah, obwohl er kurz hinter die Tür
Schaute.
Als er in ein anderes Zimmer stürmte, sprang Mama zum Fenster raus und rannte
um ihr Leben.
Die
nächtlichen Anrufe und Morddrohungen, die sie über sich ergehen lassen musste,
ebbten irgendwann ab. Ich hasste ihn dafür.
Meine
Schulfreundin Milla war schön. Sehr schön. Sie war mit einem perfekten Körper
gesegnet und ihre markanten slawischen Gesichtszüge und ihre grazilen Bewegungen
waren überwältigend. Sie hatte immer ein perfektes Outfit und sie trug immer
die neuste Mode, wobei sie stets darauf bedacht war, ihre Figur zu betonen.
Aber sie hatte ihren ganz eigenen Stil. Ihr Make-up war perfekt, die
Fingernägel lang, gepflegt und lackiert und um ihre Wespentaille trug sie
meistens einen breiten Gürtel. Ihre Haare fielen glänzend in dunkelbraunen
Wellen bis zur Schulter und jeder, der Augen im Kopf hatte, drehte sich nach
ihr um. Und sie war ein Kumpel. Einer der nettesten Menschen, die ich kannte.
Nicht eingebildet, nicht pingelig und sie gab das letzte Hemd. Ich mochte sie
wahrsinnig gerne und wir trafen uns auch ab und zu außerhalb der Schulezeiten.
Zu
dieser Zeit fühlte ich mich bereits fett wie eine Tonne und hatte schon einige
Diäten erfolglos hinter mich gebracht. Ich war allerdings 1,64 Meter groß und
wog 61 Kilo. Ein recht normales Gewicht für diese Größe. Milla lernte eines
Tages einen jungen Mann kennen und so kamen sie und ich auf die Idee, mit
unseren Freunden gemeinsam einen Abend in der nahen Großstadt auszugehen. Wir
verabredeten uns für den kommenden Samstag. Ich fühlte mich unwohl. Rudi
beachtete mich kaum. Er war kalt. Unbehagen machte sich in mir breit. Es war
eigentlich ein schöner Abend und wir haben viel gelacht ... Zumindest habe ich
so getan, als hätte ich herzhaft mitgelacht. In Wahrheit fühlte ich mich
scheiße. Schließlich verabschiedeten wir uns, nachdem wir nach dem Pizzaessen
noch eine Weile in einer Diskothek waren, und Rudi und ich stiegen in seinen
BMW.
Schweigen.
„Was ist denn los, Rudi?“ Schweigen. „Rede doch mit mir! Pass auf, du fährst
falsch in eine Einbahnstraße!“ Nachdem er fluchend gewendet hatte, schlug er
mir verbal die Keule mitten ins Gesicht: „Guck dir doch mal deine Freundin an,
und dann guck in den Spiegel. Du bist zu fett!“
Die
Worte bohrten sich wie ein Schwert in mein Herz. Ich fiel in ein schwarzes Loch
ohne Boden. Auf der Heimfahrt war nur noch ein eisiges Schweigen zwischen uns
und ich kämpfte ständig mit den Tränen. Er setzte mich wortlos vor der Haustür
ab und fuhr weiter.
Am
nächsten Tag
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