Der Fall der Bücher (Kindle Single) (German Edition)
mir ziemlich sicher, dass es zwei Täter gab, dass es ein Insiderverbrechen und dass es vorsätzlich geplant worden war. Und die beiden Personen vor mir erfüllten so ziemlich alle Voraussetzungen, um als potenzielle Verdächtige durchzugehen. Aber ich musste sacht mit ihnen umgehen und sie als untröstliche Witwe und schockierten Freund behandeln. Und ich durfte nicht vergessen, dass der schockierte Freund gleichzeitig ein Krimiautor war, der zumindest nicht ganz auf den Kopf gefallen war.
Ich war in der Dead-End-Buchhandlung in eine Sackgasse geraten. Kenner der englischen Sprache werden das Wortspiel verstehen, denn dead end bedeutet auf Englisch Sackgasse. Dort befand ich mich also, und die Uhr tickte. Vielleicht sollte ich jetzt doch mit meiner Vermutung herausrücken und sagen: »Ich bedauere, Ihnen mitteilen zu müssen, dass ich davon überzeugt bin, dass Otis Parker ermordet wurde. Ich würde Sie beide gerne zu mir auf die Wache mitnehmen, um herauszufinden, ob Sie der Polizei bei ihren Ermittlungen behilflich sein können.«
Ich stand kurz davor, genau das zu sagen. Aber mir blieb noch etwas Zeit, bevor ich Ruiz wieder anrufen musste. Ich zog also einen Stuhl heran, setzte mein mitleidsvolles Gesicht auf und fragte Mrs Parker: »Darf ich Ihnen etwas Wasser bringen? Oder einen Kaffee?«
»Nein, vielen Dank.«
»Ich kann auch nachsehen, ob ich in Mr Parkers Büro etwas Hochprozentigeres finde«, bot ich an.
Sie schüttelte den Kopf, und ich setzte meinen Plauderton fort. »Soweit ich mitbekommen habe, waren Sie für die Einrichtung des Büros verantwortlich. Sehr geschmackvoll.«
Unsere Blicke trafen sich. Sie zögerte.
»Ich habe es ihm mehrmals gesagt … Ich habe ihm mehrmals gesagt, er soll es an der Wand festschrauben, und er hat behauptet, er habe es getan.«
»Sie meinen das Bücherregal?«
Sie nickte.
»Nun, unglücklicherweise hat er das wohl nicht getan.«
»Ach …« Sie schluchzte. »Wenn er doch nur auf mich gehört hätte.«
Na klar. Wenn die Männer doch nur auf ihre Frauen hören würden, dann würden sie länger und besser leben. Ich glaube allerdings, dass verheiratete Männer sich danach sehnen zu sterben. Deshalb sterben sie auch vor ihren Frauen. Weil sie es so wollen. Okay, ich weiß, ich schweife ab.
Ich beruhigte sie. »Bitte machen Sie sich keine Vorwürfe.« Lassen Sie mich das übernehmen.
Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und fing wieder an zu schluchzen.
»Ich hätte es überprüfen sollen, als ich im Büro war. Aber ich habe Otis immer alles geglaubt.«
Womit du die erste Ehefrau der Welt wärst, auf die das zutrifft. Ja, tut mir leid, ich schweife schon wieder ab. Im Grunde genommen konnte ich mir sogar vorstellen, dass sie ihren Mann gemocht hatte. Vielleicht war er so etwas wie eine Vaterfigur gewesen. Trotz ihres Make-ups, das mich an Morticia aus der Addams-Family denken ließ, schien sie sympathisch zu sein, und wie gesagt, sie hatte eine angenehme Stimme. Vielleicht befand ich mich auf dem Holzweg. Aber … mein Instinkt sagte etwas anderes.
Mein nächster Angriff kam aus der Abteilung »Fragen stellen, auf die man schon die Antwort kennt«.
»Kennen Mr Lawrence und Sie sich aus in Los Angeles?«
Diesmal antwortete Mr Lawrence. »Ja. Aber wir verstehen nicht, warum das von Bedeutung sein soll.«
Natürlich verstehst du das, Jay. Du schreibst über diese Dinge. Egal wie, ich ließ mir irgendeine Erklärung einfallen. »In meinem Unfallbericht muss ich erwähnen, in welcher Beziehung Sie zu der Witwe stehen.«
Zwar sagte er nicht »Blödsinn«, aber sein Gesichtsausdruck sprach Bände. Gut so. Schwitz schön, du aufgeblasener Schnösel. Mia Parker schien ahnungslos, was sonst. Sie stammte ja auch aus L.A.
»Jay und ich sind seit vielen Jahren befreundet. Wir sind früher oft mit unseren damaligen Ehepartnern ausgegangen.«
Ich nickte.
»Scott sagte mir, Sie haben im vergangenen Juni geheiratet.«
Als ich ihre Junihochzeit erwähnte, füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie nickte und bedeckte ihr Gesicht wieder mit den Händen. Ich ließ ein paar Sekunden verstreichen, bevor ich weiterredete.
»Ich habe mit Scott gesprochen, und mir scheint, ich habe genügend Informationen für meinen Unfallbericht. Sollte ich doch noch Fragen haben, wende ich mich an ihn und werde Sie so wenig wie möglich behelligen.«
Sie nickte und schnäuzte in das Taschentuch ihres fürsorglichen Freundes, der wiederum verstanden hatte, dass ich über eine Aussage des
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