Der Fall der Feste
halb geöffnet war, standen Cenn-Vekanen und Cianwe-Gauchainen. Sie standen stumm und starr wie Säulen und blickten zu ihnen hinüber. Wie lange hatten die beiden Enthravanen schon dort gestanden und sie beobachtet?
Der Moment dehnte sich, beide Seiten blickten einander über die Distanz der Halle stumm an. Bis Cianwe-Gauchainen sich schließlich in einer – er wusste es nicht recht zu deuten – entlassenden oder resignierten Handbewegung umwandte und im Dunkel des Korridors verschwand. Cenn-Vekanen blieb zurück, stumm, beobachtend, sein Gesichtsausdruck war undeutbar.
Ein Ruck ging durch Auric. Wer war er, sich von diesem erlauchten Sauertopf einschüchtern zu lassen?
Er klatschte in die Hände.
„Also gut!“
Die Blicke wanderten zu ihm zurück.
„Also denkt daran“, fuhr er den letzten Gedankengang vor der Unterbrichung aufgreifend fort, „wenn ihr den Gegner einladet, geht sicher, dass schon vorher euer Stand richtig ist. Wenn der Gegner euch attackiert, ist es zu spät, an eure Beinarbeit zu denken und von Finte auf Angriff umzustellen.“
Sein Blick streifte kurz zum mit ihm im Schulterschluss vorgebeugten Darachel an seiner Seite. Der grinste ihn an. Er grinste zurück, bleckte dabei im linken Mundwinkel die Zähne, blickte auf und sah sich von einem Rund grinsender Ninraégesichter umgeben.
Seine Augen fanden geradewegs den Blusenausschnitt der ebenfalls im Kreis vorgebeugten Sekainen, und schnell ließ er seinen Blick weiterwandern. Auch auf ihren Lippen lag, so sah er im Vorbeistreifen, ein Grinsen. So wie auf dem aller anderen auch.
Als Auric schließlich wieder zur Tür hinblickte, war ihr Rahmen leer und dunkel.
Darachel war sich sicher, es musste sich um ihre Vorladung beim Rat der Enthravanen vor einiger Zeit handeln und um das daraus resultierende noch immer offen stehende Verdikt über ihre Gemeinschaft des Neuen Rings.
Er betrat also die Räume von Viankhuans Enthravenat mit einer Mischung aus Neugier und Wachsamkeit.
Sie nahmen beide, wie auch schon in vielen Gesprächen zuvor, in ihren Lehnstühlen einander gegenüber Platz, und Darachel schaute auf den vertrauten Ausblick auf die Türme im Hohlraum der Kluft zwischen Himmelsriffs Klippe und dem Plateausturz.
Der unveränderliche Ausblick mit seiner Vertrautheit machte ihm nur umso mehr bewusst, wie viel in dieser Zeit mit ihm geschehen war, wie viel sich auch zwischen ihm und seiner Enthravan-Mentorin Viankhuan verändert hatte.
Viankhuan lehnte sich in ihrem Sitz zurück und sah ihn nachdenklich an.
„Ich habe in der letzten Zeit“, sagte sie, „viel über deine Begegnung mit dem Schatten Anaudragors an dem von Bogenfall des Lichts geschaffenen Ort der Vision nachgedacht.“
Darachels Wachsamkeit flammte auf. Er merkte, wie er sich innerlich anspannte, und sich bemühte, möglich nichts davon nach außen dringen zu lassen.
„Glaubst du etwa“, sagte er, „dass ich eine Verbindung zu Anaudragor habe?“
Ihre Miene änderte sich um eine Nunace. Sie sah ihn an, musterte seinen Gesichtsausdruck mit einer Zug milder Verwunderung.
„Nein“, antwortete sie dann in ruhigem, beschwichtigendem Ton, „nicht in dem Sinne, dass du auf seiner Seite stehen könntest oder dass es irgendwelche ähnlichen alten Gewebe zu ihm gibt.“ Sie sah auf ihre Hände und legte sie sorgfältig übereinander. „Vielleicht in dem Maße, dass die Bedrohung durch ihn in deinem Schicksal eine große Rolle spielt.“
„Bei wem sollte das nicht der Fall sein“, entgegnete Darachel. „Anaudragor hat in der Vergangenheit alle Länder und Rassen bedroht. Welches Schicksal sollte es geben, dass von seinen Taten nicht entscheidend beeinflusst worden wäre?“
Ein feines Lächeln umspielte Viankhuans Mund. „Da hast du wohl Recht. Jeder ist wohl von Anaudragor indirekt berührt worden. Aber manche sind zu einer direkteren Konfrontation mit seiner Existenz gezwungen worden. Diese Erscheinung am Ort der Vision war eine sehr intensive. Und sie ist uns nicht unbekannt. Immer wieder haben durch die Jahre bestimmte Ninraé etwas Ähnliches erlebt.“
Sie hob die eine Hand zum Kopf, legte den Daumen an die Wange, zwei Finger an die Schläfe, massierte sie leicht.
„Ich mache mir einfach Sorgen um dich. Wir waren immer sehr vertraut miteinander“, sagte sie, „und plötzlich verändert sich so viel. So vieles verändert sich.“ Ihr Blick schweifte fort, verlor sich in der Leere.
Abrupt wandte sie den Kopf hoch zu ihm, sah ihm gerade und tief
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