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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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erwähnen: Auf dem Boden neben dem Sofa, auf dem er schlief, lag die Zeitung, die über den Mord berichtet hat. Haben Sie schon einmal davon gehört, daß eine Zeitung hilft, einen Mörder zu überführen?«
    Â»Nein«, sagte der Richter, der mit seinen Gedanken offenbar weit weg war. »Sie haben uns einen wertvollen Dienst geleistet. Ich bin der Sache ganz sicher, nachdem ich auch Noël Gerdy gehört habe.«
    Â»Noël? Er war hier?« fragte Tabaret aufs äußerste beunruhigt. »Weiß er ...«
    Â»Er weiß nichts. Ich brauchte Sie nicht in die Angelegenheit hineinzuziehen. Außerdem habe ich mich doch Ihnen gegenüber zu völliger Verschwiegenheit verpflichtet.«
    Man sah es Tabaret förmlich an, wie ihm ein Stein vom Herzen fiel. »Was halten Sie von Noël?« fragte er.
    Â»Er hat auf mich den Eindruck eines Ehrenmannes gemacht. An der Wahrheit dessen, was er vortrug, gibt es keinen Zweifel. Er ist ein lauterer Charakter. Ich bin selten einem Menschen begegnet, der mir auf den ersten Blick so sympathisch war.«
    Â»Ich liebe ihn, als wäre er mein eigenes Kind, habe ihn auch zu meinem Universalerben eingesetzt. Madame Gerdy sollte auch ein Legat bekommen ...«
    Â»Irdische Güter sind ihr bald nicht mehr vonnöten.«
    Â»Was soll das heißen?« fragte Tabaret verwirrt.
    Â»Daß sie im Sterben liegt und den Tag wohl nicht mehr überleben wird. Monsieur Gerdy hat mich davon in Kenntnis gesetzt.«
    Â»Im Sterben? Großer Gott! Und Noël? Wie wird er sich verhalten, jetzt, da er weiß, daß sie nicht seine Mutter ist? Wird seine Liebe zu ihr durch diese Entdeckung schwinden? Die bedauernswerte Frau! Es ist wie ein Eingreifen des Himmels, daß alle Beteiligten an dieser verruchten Tat nacheinander sterben. Als ich das Schloß der Commarins verließ, hörte ich einen Diener sagen, daß der alte Graf über dem Tumult einen Schlaganfall erlitten habe.«
    Â»Noch ein Unglück, das Gerdy trifft!« sagte Daburon entsetzt.
    Â»Wie das?«
    Â»Die Aussage des Grafen wäre von größter Wichtigkeit gewesen. Madame Lerouge ist ermordet, der Graf vielleicht tot, und Madame Gerdy hat die Aussicht zu sterben oder in Geistesverwirrung zu versinken. Wer soll nun noch bezeugen, ob der Plan, von dem in den Briefen die Rede ist, auch in die Tat umgesetzt wurde?«
    Â»Daran habe ich nicht gedacht«, sagte der Alte bedrückt. »Fürwahr, Noël wird vom Verhängnis verfolgt. Ich weiß nicht ...«
    Tabaret kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Die Tür wurde aufgestoßen, und auf der Schwelle stand der Graf de Commarin. Zwei Diener hielten ihn aufrecht, ehe er ihnen durch ein Zeichen bedeutete, sie sollten zurücktreten.
    * * *
    D er Graf de Commarin war nicht wiederzuerkennen. Seinen einst im Stolz so hoch getragenen Kopf hielt er gesenkt, so daß das Kinn auf der Binde ruhte. Mit gebeugtem Rücken, erloschenem Blick und zitternden Händen schien er um zwanzig Jahre gealtert. Mit Erschütterung blickte Daburon auf dieses Bild des Verfalls. Auch Tabaret fuhr bei diesem Anblick der Schock in die Glieder, und selbst der Protokollant schien erschrocken.
    Daburon schickte sofort Constant und Tabaret unter irgendeinem Vorwand aus dem Zimmer, und wenn der Alte auch gar zu gern der Vernehmung beigewohnt hätte, so fügte er sich doch.
    Â»Ich bin nicht ganz bei Kräften«, sagte der Graf, als Daburon ihm einen Stuhl anbot.
    Â»Sind Sie überhaupt imstande, sich eine Vernehmung zuzumuten?« fragte der Untersuchungsrichter.
    Â»Fangen Sie an«, antwortete der Graf. »Ich fühle mich schon wieder besser. Als man mir von dem Verbrechen berichtete, das mein Sohn begangen haben soll ... Es war mir, als legte sich mir eine eiskalte Hand aufs Herz. Dahin waren meine Kräfte. Ich fühlte, daß ich ein schwacher alter Mann bin. Ach, wäre ich doch gestorben! Vielleicht ist es der Wille Gottes, mich den Kelch der Demütigungen bis zur Neige trinken zu lassen.« Der Schweiß der Schwäche stand ihm auf der Stirn, und es dauerte geraume Zeit, bis er fortfahren konnte: »Ich hätte wissen müssen, daß es eines Tages ans Licht kommt. Starrer Eigensinn, das war mein größter Fehler, und für ihn bin ich hart bestraft worden.
    Mein Sohn als Mörder angeklagt! Ein Graf de Commarin vor dem Schwurgericht! Monsieur, ich bin der Schuldige, ich allein. Ich habe

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