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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Èmile Gabroriau
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»Das fing schon bald nach der Nacht im Wirtshaus an. Unrecht Gut gedeihet eben nicht. Als ich wieder zu Hause war, kaufte ich die Wiese. Es stellte sich heraus, daß das Gras sauer war. Claudine ließ jetzt ihren Lastern freien Lauf. Wir aßen immer üppiger, immer öfter wurden bei uns Feste gefeiert. Wenn ich auf See war, lud sie sich das Haus voll mit den übelsten Lumpen. Die bewirtete sie wie die Fürsten. Sie gewöhnte sich ans Trinken. und bald soff sie wie ein Besenbinder. Eines Nachts kam ich unerwartet nach Hause und überraschte sie, wie sie mit dem Bürgermeister im Bett lag. Ich hätte ihn zertreten können wie eine Wanze, aber ich hab’ ihn nur am Kragen gepackt und durchs geschlossene Fenster geworfen. Claudine hab’ ich verprügelt, bis sie nicht mehr stehen, sitzen oder liegen konnte.«
    Der Seemann war offensichtlich von der Erinnerung an diese Szene überwältigt. Er fuhr sich mit den Fäusten übers Gesicht und sprach mit rauher Stimme.
    Â»Ich hab’ ihr verziehn. Ein Mann, der seine Frau erst verprügelt und ihr dann verzeiht, ist ein Trottel. Sie hat sich in Zukunft nur mehr vorgesehen, betrog mich aber nach wie vor. Nachdem Madame Gerdy ihr Kind zurückerhalten hatte, führte meine Frau ein wüstes Leben. Jeder Kerl aus der Gosse war ihr willkommen, wenn ich zur See fuhr. Und ständig war sie und das Gesindel besoffen. Wenn das Geld alle war, schrieb sie dem Grafen oder seiner Geliebten. Es kam neues. und die Saufereien konnten weitergehen. Und ich kam und kam nicht von ihr los. Ich hatte mich daran gewöhnt, sie abwechselnd zu umarmen und zu verprügeln. In der ganzen Stadt wollte keiner mehr mit mir verkehren. Die dachten alle, ich lebte von den Kerlen meiner Frau. Ein Glück, daß mein Vater das nicht mehr erlebt hat!«
    Â»Wenn Sie eine Pause machen möchten?« sagte Daburon voller Teilnahme.
    Â»Ich muß jetzt alles loswerden. Ich habe, um es kurz zu machen. Claudine dann verlassen. Selbst die Wiese hab’ ich verkauft und Claudine das Geld gegeben. Ich wollte mit der ganzen Geschichte nichts mehr zu tun haben. Ich schrieb ihr einen Brief und teilte ihr mit, sie könnte in unserem Haus wohnen, sie sollte aber nicht darauf spekulieren, daß ich jemals zurückkommen würde. Am besten wär’s, schrieb ich, sie würde sich als Witwe betrachten. Meinen Jacques nahm ich mit, als ich die Stadt verließ.«
    Â»Wissen Sie, was aus Ihrer Frau wurde, nach Ihrer Abreise?«
    Â»Nein, Monsieur. Ich hab’ nur erfahren, daß sie ein Jahr nach mir auch aus der Stadt gegangen ist.«
    Â»Und Sie haben sie nie mehr gesehen?«
    Â»So ist es.»
    Â»Aber drei Tage vor dem Mord sind Sie doch in ihrem Haus gewesen?« fragte Daburon scharf.
    Â»Das stimmt, Herr Richter. Aber ich war nicht zu meinem Vergnügen da. Erst einmal war es sehr schwierig, überhaupt zu erfahren, wo sie wohnt. Zum Glück konnte ich mir die Adresse von Madame Gerdy besorgen. An die schrieb ich, und von ihr erfuhr ich, daß Claudine in Jonchère lebte. Ein Freund von mir, Kapitän Gervaise, nahm mich auf seinem Schiff mit. Ach, es war schon erschütternd, sie wiederzusehen. Sie erkannte mich nicht. Vielleicht glaubte sie inzwischen selbst, daß sie Witwe und ich tot war. Als sie meinen Namen hörte, hat sie sich aber hingesetzt, kann ich Ihnen sagen. Neben ihr stand eine große Flasche Cognac ...«
    Â»Warum haben Sie Ihre Frau denn überhaupt aufgesucht?«
    Â»Es ging um Jacques. Der war inzwischen ein Mann geworden, und er wollte heiraten. Dazu brauchte er auch die Zustimmung seiner Mutter. Ich hatte eine von einem Notar aufgesetzte Urkunde bei mir. Die hat Claudine dann unterschrieben. Hier ist sie.«
    Daburon interessierte sich für das Dokument nicht, gab sich aber so, als vertiefe er sich in seinen Inhalt. »Was glauben Sie«, fragte er plötzlich, »wer Ihre Frau umgebracht haben könnte?«
    Der Seemann schwieg.
    Â»Haben Sie denn gar keinen Verdacht?«
    Â»Was weiß ich. Vielleicht ist sie den Leuten, die sie dauernd geschröpft hat, lästig geworden. Oder sie hat im Suff zuviel gequatscht.«
    Der Untersuchungsrichter war zufrieden mit der Befragung. Er hatte soviel wie möglich aus Lerouge herausgeholt. Er verabschiedete ihn, nachdem er ihn angewiesen hatte, sich in einem Hotel zur Verfügung des Gerichts zu halten. Die Unkosten würden ihm

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