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Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Titel: Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Jung , Christoph Lemmer
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Schlafanzughose. Dieser Umstand ist deshalb wichtig, weil die alte Dame tatsächlich eine Jogginghose getragen hatte, als Manfred G. sie in der Klinik abholte. Sie muss sich also später umgezogen haben – es sei denn, es war so, wie Staatsanwalt Gliwitzki jetzt aus heiterem Himmel mutmaßte: Wahrscheinlich habe die Frau die Schlafanzughose unter der Jogginghose getragen.
    Bleiben die beiden Verletzungen am Kopf. Beim ersten Urteil hatte das Gericht behauptet, sie hätten auf keinen Fall von einem Sturz stammen können. Im zweiten Prozess zogen die Richter Sachverständige zu Rate, und die sagten das Gegenteil. Die Verletzungen könnten sehr wohl von einem Sturz herrühren, und die Behauptung, das sei ausgeschlossen, sei schlicht falsch.
    Anwalt Widmaier war sich darum sicher, dass sein Mandant freigesprochen werde, erinnert sich sein Partner, der Bad Tölzer Strafverteidiger Peter Huber. Prozessbeobachter meinten dagegen, von Anfang an Anzeichen für einen Sieg der Staatsanwaltschaft zu erkennen. Die Gerichtsreporterin des Spiegel , Gisela Friedrichsen, notierte, Staatsanwalt Gliwitzki habe den Saal »in sich hineinlächelnd« betreten. Und als am Ende die Vorsitzende Richterin Petra Beckers das Urteil sprach, da sei sie »ungewöhnlich blass gewesen«, sagte uns Anwalt Huber, »so blass sah man sie noch nie«, schrieb Gisela Friedrichsen.
    Gab es da eine Bande über Eck zwischen Staatsanwalt und Richtern, über die nichts nach außen drang? War dieses Verfahren ein besonders krasses Beispiel für die Kumpanei zwischen Richtern und Staatsanwälten, die Bundesrichter Eschelbach so vehement kritisiert und für die hohe Zahl an unentdeckten Fehlurteilen verantwortlich macht? Musste dieses Urteil so fallen, weil die bayerische Justiz um keinen Preis ein Kapitalverbrechen ungeahndet lassen will, sogar dann, wenn es womöglich keines gab?
    Lebenslange Freiheitsstrafe wegen Mordes, verkündete die Richterin, und in ihrer mündlichen Urteilsbegründung fügte sie zweieinhalb Stunden lang Detail an Detail, warum Manfred G. Lieselotte K. ermordet haben soll. Doch kein einziges dieser Details war ein Beweis. Staatsanwalt Gliwitzki hatte wohl zu Recht »in sich hineingelächelt«. Und diesmal leistete sich das Gericht auch keinen Formfehler. Die neuerliche Revision lehnte der BGH ab. »Aufgeben wollen wir dennoch nicht«, sagte uns Anwalt Huber. Er will eine Wiederaufnahme vorbereiten, aber um die zu begründen, müssten neue Beweise her, die in den vorherigen Verfahren noch nicht auftauchten. Fast unmöglich, angesichts der Akribie, mit der Widmaier schon im Revisionsverfahren gearbeitet und unzählige Details präsentiert hatte. Und tragischerweise steht Widmaier für ein neues Verfahren auch nicht mehr zur Verfügung. Er starb im Herbst 2012 an den Folgen eines Treppensturzes. Keine guten Aussichten für Manfred G., der anders als Ulvi Kulac oder die Rupp-Familie nicht einmal mit einem Geständnis zu seiner Verurteilung beitrug, sondern zu jeder Zeit seine Unschuld beteuerte.

Kapitel 35
    Bayern und die NSU -Morde
    G ut ein Jahr nachdem Ulvi Kulac verurteilt worden war, übernahm der Chef der Soko Peggy 2, Wolfgang Geier, eine neue Sonderkommission, die Soko Bosporus. Hier ging es um einen Fall, der den Staat auf besondere Weise herausforderte, dem der Staat darum besondere Aufmerksamkeit widmete – die Morde der rechtsextremen Terrorzelle NSU (Nationalsozialistischer Untergrund), wobei deren Täterschaft jahrelang nicht bekannt war und womöglich auch nie herausgekommen wäre, wenn die Ermittler aus eigenen Stücken zu einem Schluss gekommen wären. Geier gründete die Soko Bosporus im Juni 2005. Wenige Tage vorher hatten kurz nacheinander zwei Morde in Nürnberg und München für Schlagzeilen gesorgt, die beide mit derselben Waffe verübt wurden wie schon andere Morde Jahre zuvor. Der öffentliche Druck war immens. Die Taten wirkten verstörend, weil über die Täter – jedenfalls öffentlich – nichts bekannt war und manchmal lange Pausen zwischen zwei Taten verstrichen. Nach dem vierten Mord ließen sie sich sogar fast zweieinhalb Jahre Zeit, bis sie wieder zuschlugen.
    Außerdem wurden die Täter zunehmend professioneller. Beim ersten Mord am 9. September 2000 in Nürnberg verfeuerten sie acht Kugeln auf den Blumenhändler Enver S. Am Nachmittag fanden ihn Polizisten blutüberströmt, aber lebend. Keines der Projektile hatte ihn sofort getötet. Erst zwei Tage später starb er im Krankenhaus. In der Nähe sammelten

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