Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
Brixner wurde während der Verhandlung mehrmals laut und drohte Mollath, er werde ihn aus dem Saal werfen lassen, wenn er nicht mit der Schwarzgeldgeschichte aufhöre. Mollath ließ nicht locker, auch nicht nach dem Prozess, als er zwangsweise in die Psychiatrie kam. Seine Frau Petra, die als Vermögensberaterin für die Hypo-Vereinsbank arbeitete und ihn angezeigt hatte, sei Teil dieses Geldverschiebesystems gewesen. Immer wieder sei sie mit Bargeld in die Schweiz gefahren. Er habe sie angefleht, damit aufzuhören.
Dass irgendetwas an Mollaths Geschichte stimmen musste, zeigte sich, als Petra Mollath fristlos von ihrer Bank entlassen wurde. Dagegen ging sie gerichtlich vor und erstritt sich eine Abfindung von 20000 Euro. Ein Revisionsbericht der Bank bestätigt dennoch den Kern seiner Vorwürfe, nämlich die Verschiebung von Bargeld in die Schweiz. Mollath kennt aber offensichtlich keine klaren Details, die etwa auf Steuerhinterziehung oder Geldwäsche deuten. Der systematische Transport von Bargeld in die Schweiz mag verdächtig wirken, weil kaum ein lauteres Motiv dafür denkbar sein mag, ein Beweis für eine Straftat ist es nicht.
Der stärkste Vorwurf Mollaths lautete, die Geldverschiebung werde von »ganz oben« gedeckt, womit wohl die bayerische Staatsregierung und die CSU gemeint sind. Nur deshalb werde er auch für verrückt erklärt und eingesperrt. Seine Unterstützer wiederholen diesen Vorwurf mit Inbrunst. Über die Jahre scheint er auch in der Medien-Berichterstattung immer stärker durch. Nur: So einfach liegen die Dinge nicht, wie wir gleich sehen werden.
Dass Mollath als pathologischer Fall gilt, liegt – wie immer in solchen Fällen – vor allem daran, dass psychiatrische Gutachter den Fall so einschätzen.
Einer dieser Gutachter war der schon aus dem Fall Peggy bekannte Berliner Forensik-Psychiater Hans-Ludwig Kröber. Kröber sollte zwei Jahre nach dem Urteil feststellen, ob Mollath immer noch gefährlich sei und deshalb in der Psychiatrie bleiben sollte. Einen eigenen Eindruck konnte sich Kröber nicht verschaffen, weil Mollath ein Gespräch mit ihm ablehnte. Nach dem Studium der Akten bescheinigte Kröber, dass Mollath zu Recht eingesperrt sei und in der Psychiatrie bleiben sollte. So kam es auch.
Dann aber, Ende 2012, enthüllte das ARD-Magazin Report den kompletten, schon 2004 erstellten Revisionsbericht der Hypo-Vereinsbank, in dem die von Mollath angezeigte Geldverschiebung detailliert beschrieben wurde. Der Fall kehrte in die Schlagzeilen zurück. Das Echo war für die bayerische Justiz und die Landesregierung verheerend. Der Verdacht, Mollath sei nur deshalb weggesperrt worden, um eine Affäre zu vertuschen, wurde immer lauter. Der Fall wurde im Justizausschuss des bayerischen Landtags diskutiert. Die SPD-Abgeordnete Inge Aures warf Justizministerin Beate Merk vor, sie hätte schon längst dafür sorgen müssen, dass Mollaths Zwangsunterbringung überprüft wird. Sie persönlich habe mindestens ein Jahr seiner Gefangenschaft zu verantworten. Dann meldete sich auch noch der Schöffe Karl-Heinz Westenrieder zu Wort, der 2006 zu denen gehörte, die über Mollath zu Gericht saßen. Er sprach in einem Interview mit dem Bayerischen Fernsehen von einem Fehlurteil. »Ich hoffe, dass es schnellstens ein Wiederaufnahmeverfahren gibt, auch ohne vorherige psychiatrische Untersuchung«, sagte der Schöffe. Im Nachhinein zweifelte er vor allem an der Glaubwürdigkeit von Petra Mollath. Wichtige Informationen hätten ihm gefehlt.
Der Fall Mollath hatte es damit wieder in die Schlagzeilen geschafft, und es dürfte mit dem bevorstehenden Wahlkampf zu tun gehabt haben, dass sich dann Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer einmischte und vorschlug, den Fall wegen der »neuen Gegebenheiten« von Grund auf zu überprüfen. Und tatsächlich: Justizministerin Merk »veranlasste« bei der Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg, sie möge eine Wiederaufnahme beantragen. Flugs fanden die Staatsjuristen auch einen Dreh, mit dem das rechtlich sauber bewerkstelligt werden könnte. Mehrere Zeitungen meldeten, die zuständigen Richter würden bereits prüfen, ob ihr Kollege Otto Brixner, der Mollath in der Verhandlung damals so aggressiv angegangen war, befangen gewesen sein könnte.
Und hier ist sie, die Pointe im Fall Mollath, die im Getümmel kaum jemand bemerkte: Wenn die Politik will, dann spurt die Justiz und agiert keineswegs so unabhängig, wie Politiker und Juristen das immer beschwören. Als
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