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Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Titel: Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Jung , Christoph Lemmer
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Vorwurf des mehrfachen Kindesmissbrauchs, der normalerweise jeden Verdächtigen auf der Stelle öffentlich vernichtet, taugt noch, um Ulvi als den Bösen vorzuführen.
    Ein Debakel für die Behörden, das sie sich insofern selbst zuschreiben müssen, als sie noch nicht einmal versuchen, die öffentlich vorgebrachten Vorwürfe zu entkräften. Anfragen bei Staatsanwaltschaft oder bei Gericht laufen regelmäßig ins Leere. Die Richter antworten stets, der Fall sei rechtskräftig abgeschlossen und werde darum nicht kommentiert. Ebenso die Staatsanwaltschaft, die hinzufügt, sie könne ja selbst dann nichts unternehmen, wenn sie wollte – weil es ja ein rechtskräftiges Urteil gebe. Nicht viel anders liegen die Dinge bei der Polizei. Kein Wort zum Fall Peggy, die Justiz sei zuständig, heißt es stets. Detailfragen zu widersprüchlichen Zeugen, zu den Verhörmethoden der Kripo oder den Ermittlungspannen werden grundsätzlich nicht beantwortet. Und so entsteht das Bild eines unnahbaren und damit unmenschlichen Staatsapparats, der sich nicht in die Karten schauen lassen will, die Öffentlichkeit nach Kräften abwehrt und sich verschanzt. Der den Eindruck zulässt, es gehe ihm nur ums Rechthaben und darum, sich als unfehlbare Instanz zu inszenieren, nicht aber um die Wahrheit, nicht um das Schicksal der verschwundenen Peggy und nicht um das von Ulvi Kulac.
    Peggy und Ulvi – das sind die beiden Menschen, die im Mittelpunkt unserer Geschichte stehen. Peggy wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr leben, davon sind wir überzeugt. Würde sie noch leben, hätte die Chance bestanden, irgendwo ein Lebenszeichen von ihr zu finden. Man mag raunen, sie werde in einem Verlies gefangen gehalten, man mag auf die Fälle von Natascha Kampusch und die Kellerkinder des Josef Fritzl in Österreich verweisen. Es mag eine kleine Restwahrscheinlichkeit geben, dass Peggy ein ähnliches Schicksal durchlebt, aber wahrscheinlicher ist, dass sie nach so langer Zeit tot ist. Die Geschichte ihrer letzten Monate legt nahe, dass irgendetwas passiert sein muss, das sie verstörte. Wenig später war sie verschwunden. Schon möglich, dass die letzten Monate und ihr Verschwinden nichts miteinander zu tun hatten, aber der zeitliche Zusammenhang ist nicht von der Hand zu weisen.
    Ulvi, der andere der beiden Hauptakteure, lebt immer noch in der forensischen Psychiatrie in Bayreuth. Sein Leben ist eintönig, seine Betreuerin Gudrun Rödel unzufrieden mit der Unterbringung. Er hat wieder zugenommen und ist noch dicker geworden. »Aber es schmeckt so gut«, antwortet er, wenn sie ihn zum Maßhalten ermahnt. Früher habe es mal eine Diätgruppe gegeben, aber jetzt nicht mehr. Früher sei Ulvi auch ab und zu zum Joggen animiert worden, aber auch darum kümmere sich niemand mehr. Früher durfte Ulvi ab und zu allein durch den Garten des Bezirkskrankenhauses spazieren – jetzt nicht mehr. Gudrun Rödel vermutet, ein Mitpatient habe gepetzt, dass Ulvi in der Nacht unter seiner Bettdecke mit sich zugange war, und zur Strafe sei ihm der Gartenspaziergang gestrichen worden. »Die werden wie die Tiere gehalten«, sagt sie, was sicher übertrieben ist. Aber wenn sie sagt, dass auch Ulvi seine Bedürfnisse habe und die irgendwie ausleben müsse, hat sie natürlich recht.
    Auch, wenn er sich an den Alltag hinter verschlossenen Stahltüren gewöhnt hat – ab und zu träumt auch Ulvi noch von einem Leben in Freiheit. Einem Reporter erzählte er, er wolle Maler werden, kein Anstreicher, sondern Kunstmaler. Er male so gern Bilder. Ob er das ernst meint, ist nicht ganz klar, wie so vieles, was Ulvi Kulac erzählt, egal, mit wem er redet. Ob Journalisten, Betreuer oder Polizisten: kann sein, dass er etwas Wahres berichtet, kann ebenso sein, dass nicht. Genau das könnte sein Verhängnis gewesen sein. Sein Drang, irgendwelche Geschichten zu erzählen, um sich zu produzieren und im Mittelpunkt zu stehen. Den hatte ihm ja schon ein psychiatrischer Gutachter attestiert.
    Wenn Ulvi nicht der Mörder von Peggy war, dann war er einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Dass es genügen könnte, dass einer lebenslänglich wegen Mordes bekommt, nur weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war, ist ein verstörender Gedanke. Dass ein Leserbrief genügen könnte, eine Lawine gegen einen solchen Missstand loszutreten, ist dagegen ein tröstlicher.

Bildteil

Peggy Knobloch. Am 7. Mai 2001 verschwand das Mädchen spurlos.
© picture-alliance/dpa

Peggys Mutter Susanne Knobloch wird

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