Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
Alptraum, der bis heute nachwirkt.
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Auch nach Wochen ist noch kein Erfolg zu verzeichnen. Peggy bleibt verschwunden. Das Medieninteresse ist nach wie vor hoch, der Fall ist deutschlandweit in Zeitungen und TV-Sendungen Thema. Mangels aktueller Neuigkeiten wird zwar in den Tagesnachrichten kaum noch darüber berichtet, dafür aber an prominenter Stelle in Reportage- und Boulevardformaten. So auch in der Sendung »Kripo live«, ausgestrahlt vom MDR, in der im Juni 2001 Ralf Behrendt zu Gast ist. Behrendt, der inzwischen nur noch als »Vize« der Soko Peggy 1 fungiert, will via Fernsehen die Bevölkerung erneut zur Mithilfe aufrufen: »Wir sind noch nicht auf dem Weg, der uns zum Erfolg führt. Es kann alles Mögliche sein, dass das Kind noch lebt, [es] kann auch sein, dass ein schweres Verbrechen an dem Kind verübt worden ist. Auch wenn eine Spur nicht zum Erfolg geführt hat, aber dazu, dass eine Person ausscheidet, so ist das auch schon ein Erfolg«, so der Kommissar über den bisherigen Stand der Ermittlungen.
Die Moderatorin schlägt einen emotionalen Ton an: »Für die Mutter ein schwacher Trost, wenn sie jetzt hört, ein Verbrechen ist doch recht wahrscheinlich, furchtbar.«
Behrendt reagiert darauf sichtlich überrumpelt. Er wirkt hölzern bei dem Versuch, sich aus seiner sachlichen Polizeilogik zu lösen und halbwegs passend auf die mitfühlende Bemerkung einzugehen: »Ich war erst gestern mit der Mutter zusammen, und wir hatten über die verschiedenen Möglichkeiten gesprochen. Auch darüber, dass die Mutter weiß, dass möglicherweise ihr Kind tot ist. Sie hat eine Bitte ausgesprochen, dass, äh, wenn das Kind tot ist, dass ich es ihr sofort entrichte, dass sie, äh, auch wenn das Kind tot ist, sie es noch einmal in die Arme nehmen kann.«
Eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen.
Unvermittelt bittet die Moderatorin Behrendt nun, über die bisherigen Ermittlungsergebnisse zu referieren. Gleich im ersten Satz unterläuft ihm ein schwerer Versprecher: »Ab 13.15 Uhr ist das Kind nach Hause gekommen.« Behrendt meinte wohl eher das Gegenteil, dass nämlich Peggy nicht nach Hause gekommen war. Anschließend fährt er fort: »Es [das Kind] wurde dann noch mal gesehen am Nachmittag im Bereich des Marktplatzes, einmal an der Telefonzelle, einmal auf einem Parkplatz am Feuerwehrhaus und zum Schluss am Dorfbrunnen. Da war es etwa 16.30 Uhr. Ab diesem Zeitpunkt fehlt eigentlich jede Spur von ihr.«
Eine interessante Bemerkung. Gemäß der Polizeiprotokolle vom 8. und 9. Mai gibt es mehrere Zeugen, die angaben, Peggy noch bis 19 Uhr im Ort oder in der unmittelbaren Umgebung gesehen zu haben. Trotzdem sagt Behrendt, ab 16.30 Uhr fehle jede Spur. Auch seine Auflistung der Örtlichkeiten – Telefonzelle, Feuerwehrhaus, Dorfbrunnen – ist äußerst lückenhaft. Er bezieht sich damit ausschließlich auf die Aussagen jenes Jungen, der mit Peggy gespielt haben will. Die Ortsangaben der anderen Zeugen erwähnt er nicht.
Als Nächstes werden Fotos von Peggy eingeblendet, über die Behrendt Folgendes sagt: »Die hat mir die Mutter erst gestern gegeben. Sie sind relativ neu. Das Porträt von vorne ist am Gründonnerstag erst gemacht worden, und auch das Bild von der Seite ist eines aus dem April 2001.«
Die Moderatorin kommentiert: »Sehr zutreffende, aktuelle Aufnahmen, und wir hoffen, dass sich Zeugen erinnern.«
In dieser Sendung wurden also endlich auch »zutreffende, aktuelle« Aufnahmen von Peggy präsentiert. Wochen nach dem Verschwinden des Mädchens.
Die Bilder ergänzt Behrendt um eine Beschreibung von Peggys Charakterzügen; die Vermisste nennt er dabei konsequent »das Kind«. Es sei sehr lebenslustig und würde ohne Scheu auf Menschen zugehen. »Das Kind ist für sein Alter auch recht selbständig. Das hat sie wahrscheinlich von ihrer Mutter geerbt, die sich auch durchs Leben schlagen, mit allen Schwierigkeiten kämpfen musste. Das hat die Peggy wahrscheinlich von ihr mitbekommen. […] Sie war auch, äh, doch auch in der Lage, unter Umständen Fremde auch anzusprechen, wäre aber wahrscheinlich nicht eingestiegen. Das ist bloß ein Bereich der Wahrscheinlichkeit, man kann das nie sagen.«
Die Moderatorin hakt nach: »Oft finden ja auch Täter, wie wir von anderen Fällen wissen, genau diesen Punkt, bei dem sie dann das Kind gefügig machen.«
Behrendt führt aus: »Sie war auch ein potenzielles Opfer, das müsste man hier noch mit einfügen, denn sie war auch vor dem Tatzeitpunkt öfters
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