Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
ursprünglich auf 50000 DM belaufen, die Frankenpost hatte sie später um 5000 DM aufgestockt. Ein Verdacht, den Susanne Knobloch kurz nach dem Telefonat mit Pilz bewusst oder unbewusst zusätzlich verschärft. Denn am 17. Januar 2002 übergibt sie der Polizei zwei bizarre Beweisstücke: zwei T-Shirts von Peggy, auf denen sich angeblich Urinspuren von Ahmet Yilmaz befinden sollen. Wo sie die Hemden gefunden hat, ist unklar. Immerhin ist Peggy da schon ein Dreivierteljahr verschwunden. Susanne hat die Wohnung in Lichtenberg längst aufgegeben, ist nach Heinersberg gezogen und hat im Zuge dessen Peggys persönliche Dinge entsorgt. Der Polizei erklärt sie, Ahmet, von dem sie sich endgültig getrennt hatte, habe Peggy möglicherweise missbraucht, und die T-Shirts könnten einen Beweis dafür liefern. Die Soko schickt die T-Shirts zum Labor des bayerischen Landeskriminalamtes nach München, um sie untersuchen zu lassen. Ungeduldig warten die Ermittler auf das Ergebnis und erkundigen sich noch während der Auswertung telefonisch nach dem Zwischenstand. »Es wurden auf beiden Kleidungsstücken massiv Urinspuren vorgefunden«, notiert Soko-Kommissar Behrendt. Am Telefon habe der LKA-Biologe vorab mitgeteilt, »dass die Urinspuren von Ahmet Yilmaz sind«.
Das wäre jetzt tatsächlich eine interessante Wendung. Am Ende sollte sich jedoch herausstellen, dass der LKA-Biologe vorschnell entweder ein falsches Ergebnis weitergegeben oder Behrendt etwas falsch verstanden hatte. Im Gutachten, das erst am 17. Juni 2002 fertiggestellt wird, ist nämlich nur die Rede von »Epithelzellen« Ahmet Yilmaz’, die sich auf den Shirts gefunden hätten – gewöhnliche Hautzellen. Urinspuren seien zwar ebenfalls gefunden worden, deren Herkunft habe aber nicht abschließend geklärt werden können, möglicherweise stammten sie von einem Tier. Kripo-Ermittler Behrendt sprach später einmal von »Meerschweinchenurin«, was plausibel wäre, denn Peggy hatte Meerschweinchen.
*
Knapp vier Wochen nachdem Susanne die Leibchen der Polizei übergeben hatte, klingelt kurz nach Mitternacht das Handy von Kommissar Pilz. Es ist der 26. Februar 2002, am Apparat ist Peggys Mutter. Im Protokoll des Ermittlers heißt es über den Anruf: »Heinersberg bei Nordhalben. Um 0.38 Uhr: Die Mutter der Peggy hat mich gerade angerufen, dass ihr ehemaliger Lebensgefährte, der Türke, vor der Tür steht und sie sich nicht heimtraut! Yilmaz fährt einen Audi, HO-XX XX, und könnte bewaffnet sein!«
Bewaffnet? Das klang dramatisch. Einzige Quelle dafür, dass Ahmet eine Waffe besitzen könnte, war eine Reporterin der Bild -Zeitung. Sie hatte ein Interview mit Yilmaz geführt, bei dem er ihr von der Waffe erzählt habe. Sie sei »chromblitzend« und habe eine »Lasereinrichtung«. Außerdem habe er ihr gegenüber geäußert: »Wenn ich in Rage bin, weiß ich nicht, was ich tu.« Diese Informationen hatte die Reporterin Kommissar Pilz gemeldet, der daraufhin Yilmaz’ Wohnung durchsuchen ließ, allerdings ohne etwas zu finden. Dennoch warnte Pilz nun vor einem bewaffneten Ahmet Yilmaz.
Die Einsatzzentrale reagiert sofort. Über Funk wird eine Streife aus dem nahe gelegenen Naila zu Susanne Knoblochs Wohnung in Heinersberg beordert. Als die Polizisten dort eintreffen, ist von Ahmet nichts zu sehen. Die Beamten klingeln bei der Nachbarin Cordula Dürr, die ihnen erzählt, sie habe durchs Fenster den roten Audi von Yilmaz vorbeifahren sehen. Wenig später sei Yilmaz zurückgekehrt, habe vor dem Haus gehalten, sei nach ein paar Minuten ausgestiegen und ins Haus gegangen. Dann, so behauptet Dürr, habe Ahmet sich Zugang zu Susannes Wohnung verschafft, woraufhin sie Susanne angerufen habe. Wo diese sich zum Zeitpunkt des Telefonats aufhielt, will Cordula Dürr nicht preisgeben. Die Wohnung habe er erst verlassen, als draußen der Streifenwagen vorfuhr. Womöglich sei er über den Hof verschwunden, das habe sie nicht so genau sehen können.
Die Beamten nehmen daraufhin Susannes Wohnungstür in Augenschein. Sie ist völlig unversehrt, ohne jede Spur eines gewaltsamen Eindringens. Dann durchsuchen sie den Keller. Das Ergebnis: »Es wurde kein Hinweis für den Aufenthalt von Ahmet Y. gefunden«, halten die Beamten in ihrem Bericht fest. Die Polizei patrouilliert noch bis halb drei durch den Ort – ohne dass den Beamten etwas aufgefallen wäre. Einer der Streifenpolizisten meldet sich schließlich bei Soko-Kommissar Pilz und berichtet über den vergeblichen Einsatz. Pilz fertigt
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