Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
dazu eine Aktennotiz an, die mit den Fakten wenig zu tun hat: »Um 1.21 Uhr in der Nacht: Kollege W. teilt mit, dass Yilmaz sich aus dem Staub gemacht hat, als er die Polizei sah; er fuhr in Richtung Bad Steben davon.«
Tatsächlich hat niemand außer Cordula Dürr Yilmaz an jenem Abend in Heinersberg gesehen. Aber nicht einmal sie hatte erwähnt, dass der Audi in Richtung Bad Steben davongebraust sei.
*
Es mag Zufall sein, dass am selben Morgen vier Soko-Ermittler zu einem streng geheimen Treffen aufbrechen. Es geht um eine andere Spur auf Ahmet Yilmaz.
Um 10 Uhr sind Wolfgang Geier, Herbert Manhart, Ralf Behrendt und ein ranghoher Polizei-Oberrat vom Dezernat für Organisierte Kriminalität in Bayreuth mit tschechischen Kollegen am Grenzübergang Waidhaus verabredet, quasi auf neutraler Mitte zwischen den beiden Ländern. Das Protokoll soll eine Dolmetscherin führen, die die deutschen Beamten begleitet. Die Tschechen bieten einen Polizei-Oberleutnant und den V-Mann-Führer Vesely aus Prag auf.
Die Laune der deutschen Beamten ist mittelprächtig. Dazu trägt nicht nur die Rivalität zwischen dem alten und dem neuen Soko-Chef bei, sondern auch die Tagesordnung, derentwegen das Treffen verabredet worden war. Geier war offenbar der Kragen geplatzt, weil von der tschechischen Polizei seit Monaten keine konkreten Informationen mehr über Peggys Verbleib in der Türkei zu erfahren waren. Der bulgarische V-Mann und sein Kontaktbeamter Vesely aus Prag hatten, anders als versprochen, keine neuen Details geliefert. Vor allem aber hatte sich Vesely bislang allen Versuchen widersetzt, die Deutschen endlich direkt mit dem Bulgaren reden zu lassen.
Nach einer etwas zähen Begrüßungszeremonie wird Vesely gefragt, woher er eigentlich wisse, dass Peggy in Elmabagi festgehalten werde. Die türkische Polizei habe schließlich unmissverständlich mitgeteilt, dass sie das Mädchen nirgendwo gefunden habe.
Vesely antwortet zunächst: »Zu den Informationen bin ich zufällig gelangt, ich habe damals im OK-Bereich [Bereich Organisierte Kriminalität] gearbeitet.« Dann kontert er mit einer rhetorischen Gegenfrage: »Wer ist glaubhafter, die türkische Polizei oder mein Informant?«
Geier lässt sich nicht beeindrucken: »Wie lange arbeiten Sie mit V-Personen zusammen?«, will er von Vesely wissen.
»Fünf Jahre.«
Geier: »Wie war der Wahrheitsgehalt Ihres Informanten?«
Vesely: »Positiv, zu 80 bis 90 Prozent stimmten seine Informationen.«
Als Nächstes wiederholt Geier seine Forderung, die Identität des V-Mannes endlich preiszugeben. Vesely weigert sich mit der Begründung, dessen Leben sei dann gefährdet.
Geier versucht es anders: Er könne sich auch ein Treffen mit dem V-Mann vorstellen, bei dem dieser seinen Namen nicht nennen müsse. Der Tscheche weist auch das zurück und antwortet: »Was bringt Ihnen ein Gespräch mit dem Informanten? Ich habe Ihnen all das berichtet, was der Informant sagte.«
Es ist ein sinnloses Unterfangen. Offensichtlich ist Vesely nicht bereit, den deutschen Polizisten seinen Gewährsmann zu präsentieren – falls der überhaupt existiert. Vesely bietet lediglich an, den V-Mann zu fragen, ob er von sich aus mit der deutschen Polizei Kontakt aufnehmen wolle.
Geier bohrt weiter: »Was ist die Motivation des V-Mannes, mit Ihnen, Herr Vesely, zusammenzuarbeiten?«
»Er macht es aus Überzeugung. Mein Informant ist zurzeit in Moskau, kommt aber in circa zwei Wochen zurück. Es geht dort um einen Herointransport über 300 Kilogramm.«
Nun schaltet sich Behrendt in das Gespräch ein. Er erkundigt sich, ob der V-Mann Neuigkeiten zu Peggys Aufenthalt habe. Vesely antwortet: »Peggy befindet sich noch dort, wo sie in der Türkei zum Schluss hingebracht wurde. Ich habe auch gehört, dass die Türken Peggy verkaufen wollen; möglicherweise in die Sklaverei.«
Der Beamte hakt nach: Ob das vor Monaten zugesagte Bild von Peggy schon angefertigt wurde? Nein, entgegnet Vesely, er werde sich aber weiter darum bemühen.
An dieser Stelle meldet sich der Chef der Soko 1, Manhart, mit einem rührenden Statement zu Wort. Es sei das Wichtigste, dass Peggy gefunden werde – »das ist unser ganzes Bestreben«.
Behrendt müht sich, zum Thema zurückzufinden, und fragt, ob es etwas Neues darüber gebe, wer hinter der mutmaßlichen Entführung stecke. Vesely darauf: »Es ist richtig, dass ich von meinem Informanten erfahren habe, dass Ahmet Yilmaz etwas mit der Entführung zu tun hat. Ganz am Anfang habe ich
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