Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
dreiste Frage in den Raum gestellt hatte, wer glaubhafter sei – die türkische Polizei oder der ominöse Informant.
Die Spur auf Ahmet Yilmaz ist damit endgültig erledigt. Daran ändert auch eine letzte Merkwürdigkeit nichts. Wahrscheinlich ist es nur ein Zufall, dass sich ausgerechnet im Mai 2002 Susanne Knobloch und Ahmet Yilmaz wieder einmal versöhnten und gemeinsam mit Tochter Jessica in einen Ferienort in der Nähe von Adana an der türkischen Südküste reisen. Als die Soko-Ermittler Geier und Behrendt in der Kreisstadt Yahyali von ihrer Riesenpleite erfahren, liegen Yilmaz und Knobloch nicht weit entfernt am Mittelmeerstrand.
Kapitel 14
Hat der Augenzeuge doch etwas gesehen?
W ie schon die erste Sonderkommission war auch die Soko Peggy 2 von der Vorstellung fasziniert, dass es für die Tat einen Augenzeugen geben könnte. Die Beweisnot, an der das erste Ermittlerteam gescheitert war, wäre auf einen Schlag beseitigt, wenn dieser Zeuge »gerichtsfest« aussagen würde. Und tatsächlich sah es so aus, als könne die Mutter von Felix Ludwig aktiv an der Lösung des Falles mitarbeiten.
Am 13. Januar 2002 hatte Katja Ludwig wieder einmal mit Kommissar Pilz telefoniert. Der Ermittler war von Geier in die neue Soko übernommen worden und auch hier wieder der Kontaktmann zu Felix und seiner Mutter. Der Junge rede plötzlich dauernd davon, dass er schon einmal eine Leiche gesehen habe, berichtete sie. Diese Leiche liege hinter einem Stein, den man einfach verschieben könne. Felix habe das getan und dahinter die Tote gesehen. Er habe aber bislang nicht erzählt, wo genau das gewesen sei.
Pilz ermunterte die Mutter, weiter mit ihrem Sohn über dieses Thema zu sprechen und mehr Einzelheiten in Erfahrung zu bringen. Danach hörte er monatelang nichts mehr von ihr.
Erst am 6. Dezember 2002 – inzwischen war Peggy seit eineinhalb Jahren verschwunden – folgt eine neue Schilderung von Felix. Überraschenderweise ist es diesmal jedoch nicht dessen Mutter, die auf dem Handy von Kommissar Pilz anruft, sondern Susanne Knobloch. Die beiden Frauen hatten sich inzwischen angefreundet. Beide hatten sich seit langem in Lichtenberg isoliert gefühlt, sie waren überzeugt davon, die Einwohner der Stadt würden sie meiden und über sie tratschen. Deshalb hatten sie ihre Wohnungen in Lichtenberg aufgegeben und waren in andere Orte in der Umgebung gezogen.
Am Telefon schildert Knobloch dem Polizeibeamten Pilz aufgeregt, dass sie die Ludwigs zu Hause besucht und mit Katja über den Fall Peggy gesprochen habe. In diesem Zusammenhang hätten die beiden Frauen Felix erklärt, wenn er sich entschließe, jetzt doch einfach alles zu erzählen, was er wisse, dann habe »der Spuk ein Ende«. Felix habe geantwortet, wenn das so sei, wolle er jetzt zeigen, »was er beobachtet hat«. Gleich darauf hätten sie sich ins Auto gesetzt und seien Richtung Lichtenberg gefahren. Auf Höhe eines Waldstücks am nördlichen Stadtrand von Lichtenberg habe Felix unvermittelt zu weinen begonnen. Sie habe sofort angehalten. Felix weigere sich, aus dem Auto zu steigen, der Junge sei vollkommen aufgelöst. Vermutlich, weil Peggys Leiche sich in diesem Waldstück befinde. Ob Pilz bitte gleich vorbeikommen könne?
Kurze Zeit nach dem Anruf trifft Pilz bei besagtem Waldstück ein. Dort lässt er sich von den beiden Frauen erzählen, was Felix erlebt haben wollte: Er habe mit Peggy gespielt. Dann sei sie von Ulvi Kulac und dessen Vater abgeholt worden. »Im Fahrzeug lag eine durchsichtige Plastikplane«, heißt es in der Polizeiakte. »Peggy wurde in den Kofferraum eines roten Autos verbracht.« Dieses Auto sei dann Richtung Lobenstein weggefahren.
Wo genau sich das zugetragen habe, will Pilz wissen. »Beim Sachsenhäuschen« [einem Unterstand an einer Bushaltestelle], antwortet Katja Ludwig stellvertretend für ihren Sohn. Von dort aus habe Felix gesehen, wie sich der Pkw mit Peggy entfernt habe. Der Wagen sei dann eine Anhöhe hochgefahren und auf halber Strecke stehengeblieben. Felix habe zwischen zwei Bäumen hindurch sehen können, wie Peggys regloser Körper wieder ausgeladen wurde. Auch ihren Schulranzen habe er erkennen können.
Pilz fragt den immer noch schweigenden Felix, ob sich alles so zugetragen habe. Der Junge antwortet: »Ja, das stimmt so.«
Einen Tag später erfolgt der nächste Anruf, diesmal von Felix’ Mutter. Ihr Sohn habe ihr gerade noch einmal gesagt, »dass die Peggy im Sachsenhäuschen zu Tode gekommen ist. Der Ulvi hat ihr
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