Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
Richter fragen den Angeklagten, was er am 7. Mai 2001 gegen Mittag getan habe. Ulvi soll sich an Einzelheiten erinnern, die exakt zwei Jahre, acht Monate und sieben Tage zurückliegen. Er antwortet: »Meine Eltern haben sauber gemacht, zwischen eins und halb zwei haben wir zu Mittag gegessen.« Peggy habe er an diesem Tag gar nicht gesehen. Wohl aber habe er gleich nach dem Essen seinem Bekannten Herbert Krüger im Auftrag seiner Mutter eine Terrine mit Suppe gebracht. Krüger bestätigt das im Prozess. »Er [Ulvi] hat rübergeschrien, ich soll anhalten, er hat von seiner Mutter was zum Essen an die Tür gehängt.«
Anschließend, so Ulvi, sei er zu einem anderen Bekannten gegangen, Bernd Nützel, dem er beim Holzhacken geholfen habe. Das habe bis etwa halb vier gedauert, danach sei er mit seinen Eltern zum Kaffeetrinken zu seiner Schwester nach Issigau gefahren. Dann habe er bis kurz vor sechs gebadet und sei anschließend nach Naila getrampt. So weit Ulvis Alibi für den 7. Mai 2001.
Der nächste Verhandlungstermin am 26. Januar bringt den Peggy-Prozess endgültig zurück in die Schlagzeilen. Zum einen wohl deshalb, weil das Gericht Öffentlichkeit und Reporter aussperrt und damit das Interesse erst recht anheizt. Und zum anderen, weil im Gerichtssaal zwei Videofilme gezeigt werden, die alle Anwesenden schockieren, wie sie hinterher auf dem Flur Reportern erzählen. Es sind zusammengeschnittene Szenen der Videos, die die Soko nach Ulvis Geständnissen im Juli und August 2002 gedreht hat und in denen der Angeklagte die Tat vermeintlich nachstellt.
Im Bild ist Ulvi zu sehen, mit fast kahlgeschorenem Schädel, militärisch anmutender Outdoor-Weste, umringt von einem Heer uniformierter Beamter. Im Film beantwortet Ulvi Fragen der Polizisten. Manche Fragen und Antworten werfen Widersprüche auf, die nach der Videovorführung offenbar nicht hinterfragt wurden. Ein Polizist fragt im Video: »Welche Kleidung trug Peggy?« Ulvi antwortet: »Ein Pokemon-T-Shirt.« Kurz zuvor hatte dagegen der im Gerichtssaal leibhaftig anwesende Ulvi noch gesagt, er habe Peggy an diesem Tag gar nicht gesehen. Dass Peggy tatsächlich gar kein Pokemon-T-Shirt getragen hatte, sondern eines mit der Aufschrift »Glöckner von Notre-Dame«, bemerkt die Kammer zwar, misst dem aber keine Bedeutung zu.
Dann führt Ulvi im Film in allen Einzelheiten vor, wie er Peggy angeblich verfolgt haben will. Er lotst die Ermittler auf den Feldweg durch die Hermannsruh, in langem Bogen unterhalb der Stadt zwischen den Gärten vorbei bis an den Schlossberg. Es folgt die Szene mit dem ominösen Stein, über den Peggy gestolpert und gefallen sein soll. Die Schilderung ihrer Verletzungen und dass Ulvi versucht habe, ihr aufzuhelfen. Dass sie dies keineswegs besänftigt habe, ganz im Gegenteil: Sie habe ihm so heftig »in die Eier getreten, dass ich Sterne sah«, erzählt der gefilmte Ulvi, während der Ulvi auf der Anklagebank stumm seinen Videoauftritt verfolgt. Er hört sich sagen, dass Peggy »Verpiss dich« gerufen und mit dem Fuß auf den Boden gestampft habe. Und dass sie ihn verraten und allen erzählen werde, dass er sie vergewaltigt habe.
Als nächstes zeigt Ulvi, was er nach dem Wortwechsel angeblich mit Peggy getan hat. Man sieht, wie er eine lebensgroße Puppe mit einer Hand am Genick packt. Mit der anderen hält er ihr Mund und Nase zu. Das dauert richtig lange, so, wie er es da vormacht. Peggy habe gezappelt und gestrampelt, er habe weiter gedrückt, bis sie endlich still gewesen sei. Dann, klingt Ulvis Stimme aus dem Lautsprecher, habe er »erst mal eine geraucht«. Nachdem er den Stummel ausgetreten habe, sei er die Stufen zum Schlossplatz hinaufgestiegen und in das Lokal seiner Eltern gegangen. Der Vater habe auf dem Sofa gelegen und geschlafen. Er habe ihn geweckt und gesagt: »Vati, komm, ich hab die Peggy umgebracht.« Der Vater sei aufgestanden und habe eine grüne Decke mitgenommen. Am Tatort habe er die Leiche in die Decke gewickelt, ins Auto gepackt und sei damit weggefahren. Wohin, das wisse er nicht, hören die Teilnehmer der Gerichtsverhandlung Ulvis Stimme aus dem Lautsprecher.
Als die Videovorführung zu Ende war, sei es ganz still im Gerichtssaal gewesen, erzählen später die, die dabei waren. Hier und da sei leises Schluchzen zu hören gewesen. Auch Peggys Mutter war unter den Zuschauern.
Nach der Filmvorführung ruft das Gericht Polizisten als Zeugen auf, die schwere Vorwürfe gegen Ulvis Familie erheben. Vater und Mutter
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