Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)
durch Kröbers Gutachten abgesichert werden. Die Handakten, die Kröber dafür von Geier erhielt, waren unvollständig, wichtige Informationen fehlten. Pappenberger, der Kulac einen erhöhten Drang nach Aufmerksamkeit und eine blühende Phantasie attestierte und insofern die Einschätzung Kröbers hätte aufweichen können, wurde vor Gericht später zwar gehört, er habe aber »nichts Wesentliches beitragen können«, heißt es in der Urteilsbegründung.
Kröbers Gutachten wurde außerdem dafür herangezogen, Ulvis Widerruf als unglaubwürdig zu entlarven. In der späteren Urteilsbegründung heißt es dazu: »Zwar hat der Angeklagte bekundet, er habe, was seine Geständnisse zum 7. Mai 2001 anbelange, die Kripo angelogen.« Dennoch sei die Jugendkammer »zweifelsfrei davon überzeugt«, dass dieser Widerruf nichts an der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit des Geständnisses ändert.
Die Begründung für diese Sichtweise lautet so: Selbst auf mehrfaches Nachfragen habe Ulvi Kulac »keinen plausiblen Grund« dafür nennen können, warum er sein Geständnis widerrufen habe. »Auch im Explorationsgespräch vom 10. September 2002 und bei den Beschuldigtenvernehmungen vom 10. Januar bzw. 3. Februar 2003 hat der Angeklagte nachvollziehbare Gründe im oben dargestellten Sinn nach den Erläuterungen von Prof. Kröber und der Aussage des Zeugen KHK Behrendt in der Hauptverhandlung nicht genannt.«
Die Möglichkeit, dass der Angeklagte ein Mordgeständnis widerrufen haben könnte, weil er a) keinen Mord begangen hat, oder b) das Geständnis möglicherweise nur abgelegt hat, weil er sich physisch und psychisch bedrängt fühlte, wird erst gar nicht in Erwägung gezogen. Fakt ist: Ulvi Kulacs Widerruf wurde von vornherein als unglaubwürdig eingestuft. Denn: »Gegen eine Trugerinnerung beim Angeklagten spräche auch der Umstand, dass der Angeklagte, ohne anzugeben, er habe sich geirrt oder getäuscht, sein Geständnis widerrief.«
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Die Öffentlichkeit sollte übrigens erst im November 2003 durch eine Notiz in der Frankenpost davon erfahren, dass Ulvi Kulac sein Geständnis widerrufen hat – mit über einem Jahr Verspätung. Da hatte der Prozess gegen ihn bereits begonnen.
Kapitel 19
Großer Auftritt für die Ermittler
M ochten auch weder Ulvis Widerruf noch Pappenbergers Aussagen so recht ins Bild passen – Kripo und Staatsanwaltschaft ließen sich ihre Argumentationskette nicht mehr nehmen. Sie hatten eineinhalb Jahre Ermittlungsarbeit hinter sich und die Details der Ulvi-Spur zu einer Anklage geschmiedet. Sie hatten aus dem ersten Verdacht einen Tathergang entwickelt, den auch mit Ulvis Geständnis bestätigt bekommen und schließlich mit dem Glaubhaftigkeitsgutachen des Berliner Psychiaters Kröber wasserdicht gemacht. Den Feinschliff mussten dann nur noch die Juristen der Hofer Staatsanwaltschaft übernehmen, allen voran deren Chef Ernst Tschanett. Tschanett trat nur selten in der Öffentlichkeit auf, aber jetzt, wo er den Fall für abgeschlossen hielt, tat er es – mit großer Überzeugungskraft.
Am 22. Oktober 2002 sitzt er neben Wolfgang Geier auf dem Podium einer Pressekonferenz in Hof. Die beiden Chefermittler Tschanett und Geier, der eine für die Justiz, der andere für die Polizei, geben den entscheidenden Durchbruch im Ermittlungsverfahren bekannt. Tschanett wagt sich dabei mit einer optimistischen Erklärung vor: »Es gibt keine vernünftigen Zweifel daran, dass der Beschuldigte [Ulvi Kulac] der Täter ist.« Dieser Satz klingt derart selbstbewusst, als habe Tschanett zumindest schon geahnt, dass er den Fall nicht verlieren könne. Hätte das Gericht Ulvi Kulac später freigesprochen, hätte er sich in eine unmögliche Situation gebracht.
Sein Polizeikollege Geier ist deutlich zurückhaltender und äußert sich differenzierter: »Wir haben eine Reihe von Indizien, aber keine Sachbeweise.« Dieser Satz wurde später nur von wenigen Journalisten, die damals die Pressekonferenz besuchten, wiedergegeben. Tschanetts Entschiedenheit scheint da deutlich besser angekommen zu sein. Offenbar war das Bedürfnis groß, Lesern, Hörern und Zuschauern endlich den Abschluss dieses spektakulären Kriminalfalles zu bieten.
Allein, die Fakten, die Tschanett bei dieser Pressekonferenz präsentiert, sind dürr, da hatte Geier recht. Seine beiden stärksten Aussagen lauten:
Ulvi Kulacs Alibi sei widerlegt worden.
Ein psychologischer Gutachter habe die Glaubwürdigkeit von Kulacs Geständnis bestätigt.
Weder das eine
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