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Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition)

Titel: Der Fall Peggy: Die Geschichte eines Skandals (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ina Jung , Christoph Lemmer
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sie Sebastians Mutter getroffen. Und da habe er sie nach der Uhrzeit gefragt und sich den Hausschlüssel geben lassen, damit er ebenfalls sein Fahrrad holen konnte. Mit dem Rad sei er zu seinen Freunden zurückgekehrt, dann seien sie zum Marktplatz gegangen. Und dort hätten sie die Peggy aus der Bäckerei kommen sehen.
    Hätte Sebastian seine erste Aussage frei erfunden – er hätte enorm schlagfertig sein müssen, all diese Einzelheiten im zweiten Verhör hinzuzudichten.

    Die Polizisten ließen immer noch nicht locker, fragten weitere Einzelheiten ab. Sebastian sagte laut Protokoll: »Sie [Peggy] kam aus der Bäckerei, ich vermute, dass sie sich dort etwas gekauft hat. Sie hatte eine Packung Kaugummi in der Hand. Ich bin mir vollkommen sicher, dass es die Peggy war. Da gibt es keine Verwechslung. Ich war vielleicht fünf Meter von der Peggy entfernt.«
    Gleich im Anschluss daran findet sich im Vernehmungsprotokoll folgende Bemerkung: »Der Junge wird aufgefordert, die Breite des Wohnzimmers, in dem die Vernehmung stattfindet, zu schätzen. Er schätzt sie mit fünf bis sechs Meter ein. Das entspricht der Realität.«
    Sebastian Röder blieb bei diesem zweiten Verhör auch bei seiner Aussage, Peggy sei in ein rotes Auto gestiegen. »Sie ging von der Bäckerei direkt auf ein rotes Auto zu, das vor der Bäckerei am Straßenrand stand, neben einem Baum bzw. einer Hecke mit Blumen.« Auch über den Autotyp ist er sich weiterhin sicher: »Es war auf jeden Fall ein Mercedes, weil es einen Mercedesstern hatte.« Jakob und er hätten sogar kurz mit Peggy gesprochen. »Als sie an uns vorüberging und wir schon erkennen konnten, dass sie ins Auto einsteigen wollte, haben der Jakob und ich zu ihr gesagt, dass sie nicht ins Auto einsteigen soll, weil wir halt gedacht haben, das ist kein Bekannter von ihr. Sie hat aber darauf geantwortet, dass sie nicht so spät nach Hause will. Sie hat das aber nur so im Vorbeilaufen gesagt. Sie ist nicht bei uns stehen geblieben und hat sich nicht länger mit uns unterhalten.« Den Mann am Steuer kannten die Buben nicht. Sie sahen ihn nur von hinten. Er habe schwarzes Haar gehabt.
    Bei dieser zweiten Befragung erinnerte sich Sebastian noch an ein weiteres Detail. Peggy habe ihren City-Roller dabeigehabt. Der habe zunächst neben der Eingangstür zur Bäckerei gelehnt. Als sie dann in den Mercedes stieg, nahm sie ihn mit ins Auto. Daran erinnere er sich genau, sagte der Junge. »Der Roller ist nicht zusammenklappbar. Mit dem Roller bin ich mir vollkommen sicher.«
    Die Beamten zweifelten. Das Vernehmungsprotokoll vermerkt einen Vorhalt: »Dem Kind wird noch einmal die Bedeutung seiner Aussage erklärt und dass er jetzt, wenn es möglicherweise eine Phantasiegeschichte ist, die Sache richtigstellen kann. Er behauptet [nach wie vor], dass es den Pkw und diese Begegnung mit Peggy tatsächlich am vergangenen Montagnachmittag gegeben hat.«
    Schließlich zeigten die Vernehmer dem Jungen Prospekte mit Bildern von Mercedes-Typen. Sebastian legte sich fest: Es war ein zweitüriges gut gepflegtes Coupé mit einem freistehenden Mercedesstern auf dem Kühler und rechteckigen Scheinwerfern – genau wie die E-Klasse-Coupés, die bis 1996 gebaut wurden. Außerdem zeichnete der Junge bei dieser Vernehmung noch einen Lageplan auf ein Blatt Papier, auf dem er den Marktplatz, die Bäckerei, das Auto, seinen eigenen Standort und den Weg von Peggy zwischen Bäckerladen und Auto eintrug.

    Aber dann, am 11. Juni 2001, wurden die beiden Buben noch einmal verhört – und nahmen alles zurück, was sie bis dahin ausgesagt hatten. Was bei diesen Verhören passierte, hält die Polizei bis heute unter Verschluss. Auch aus den Protokollen dieser Vernehmung ist nicht ersichtlich, wie die Ermittler es anstellten, dass die beiden ihre Angaben widerriefen. Das Gespräch mit Sebastian »im Beisein seiner Mutter« ist auf zwei dürren Seiten protokolliert. Unterschrieben wurde es nur von einem Beamten. Die Unterschriften von Sebastian und seiner Mutter fehlen.

    Das Protokoll dieser letzten Vernehmung, in der Sebastian seine Aussage zurückzog, besteht aus wörtlich wiedergegebenen Fragen und Antworten und beginnt mit einer widersprüchlichen Aussage des Jungen: »Gegen 15 Uhr ging ich zusammen mit meinem Freund Jakob zum Fußballspielen. Jakob und ich fuhren mit dem Fahrrad. Am Parkplatz vor der Bäckerei stand ein roter Pkw. Ich glaube, es war ein Mercedes. Wir fuhren mit dem Fahrrad weiter zum Sportplatz. Peggy habe ich

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