Der Fall Sneijder
zu einem Spaziergang von einer Dreiviertelstunde aufbrechen werden.«
Gesagt, getan. Und so wagte ich mich mit zwei Burschen, die den Anstand hatten, anderen Walkern die Früchte ihrer Eingeweide zu überlassen, auf unbekanntes Gebiet vor. Der wolkenverhangene Himmel hing tief, und ein eisiger Wind wirbelte die Schneeflocken auf, die so groß waren wie Zwei-Dollar-Münzen. Die nächsten beiden Hunde erwiesen sich als ebenso brav und gutmütig wie die vorherigen. Vor allem stellten sie sich bei dem Thema, das mein ganzes Denken beherrschte, als genauso zurückhaltend heraus. Der Schnee fiel und färbte alles weiß, was es bis dahin noch nicht war.
»Paul, ich gebe Ihnen einen Regenmantel, sonst sind Sie nachher völlig durchnässt.«
Charisteas ging in einen Nebenraum und kam mit einem riesigen schwarzen Cape zurück, auf dessen Rücken in gelben Lettern die Initialen von »DogDogWalk« standen, gefolgt von der Telefonnummer der Gesellschaft. In dieser lächerlichen Aufmachung gingen wir hinüber zum Zwinger, um mein Gespann zusammenzustellen.
»Wir nehmen drei Weibchen und zwei kastrierte Männchen. Sie sind alle sehr ausgeglichen. Aber seien Sie trotzdem auf der Hut, die Hündinnen haben viel Kraft und neigen dazu, an der Leine zu zerren.«
In einem fröhlichen Durcheinander befestigte ich die fünf langen Leinen an den Halsbändern der Hunde und stapfte wie die Hexe von Salem mit einer breiten Kapuze auf dem Kopf hinaus in Kälte und Schnee. Die Hunde folgten, unbeeindruckt von dem Wetter und den Schneeflocken, die ihre Spuren verwischten, auf einem Weg, den sie auswendig kannten. In gewisser Weise gingen sie mit mir spazieren und nicht umgekehrt. Meine kleine Gruppe bestand, soweit ich erkennen konnte, aus einem schwarzen Labrador, einem Golden Retriever, einem Irish Setter, einem Cockerspaniel und einem sehr jungen kleinen Hund, der schwarz-weiß gefleckt war und dessen Rasse sich nicht bestimmen ließ, als habe man ihn aus den Resten aller anderen Rassen zusammengewürfelt. Er war es, der mir nach einer Viertelstunde die Aufnahme in jene Bruderschaft gewährte, deren Mitgliedschaft ich so sehr fürchtete. Die Zeremonie war ganz schlicht. Ich setzte ein Knie auf dem Boden auf, streifte einen Handschuh über, faltete eine Tüte auseinander und tat, was ein Mensch niemals zu tun haben sollte. Der Schneesturm legte einen schamhaften Schleier über diesen festlichen Akt. Kurz darauf tat der Labrador es seinem jungen Freund gleich, und ich unterwarf mich erneut jener Pflicht, die ich gern aus meinem Gedächtnis verbannt, wenn sie sich in ihrer Unsinnigkeit nicht gerade besonders eingebrannt hätte.
Nichtsdestoweniger, und trotz Kälte und Schnee, wusste ich bei meiner Rückkehr ins Büro nach fünfundvierzig Minuten, dass ich dieser Arbeit ohne allzu große Probleme nachgehen konnte, dass ich durchhielt und meine Beine mich trugen, selbst wenn ich noch Schmerzen hatte. Charisteas empfing mich, wie man einen Freund empfängt, der aus dengroßen Ebenen des Nordens zurückkehrt, während die mit frischem Schnee bedeckten Hunde sich schüttelten, dass die Flocken durch die Luft flogen. Zum ersten Mal seit dem Unfall fühlte ich mich so lebendig wie vor dem Koma, ganz einfach am Leben.
Mit demselben Stolz, mit dem man eine Kriegstrophäe in die Luft reckt, zeigte ich Charisteas die schwarze Plastiktüte.
»Sie haben es getan, Paul? Wunderbar. Ich wusste, dass Sie es schaffen würden. Ich wusste es.«
Und er zeigte auf den kleinen Mülleimer, in den man diese Art Abfälle warf.
»Können Sie Watson zu seinem Besitzer zurückbringen? Es ist der kleine schwarz-weiße Mischling. Ich gebe Ihnen die Adresse, es ist nur zehn Minuten von hier entfernt. Nehmen Sie den Transporter?«
»Nein, ich gehe zu Fuß.«
»Vergessen Sie nicht das kleine Kompliment.«
Das war ich ihm schuldig. Als ich Watson aus seinem Käfig holte und er begriff, dass wir gemeinsam aufbrachen, um den Elementen zu trotzen, fing er vor Freude an zu trampeln, wie ein kleines Kind. Während wir durch das immer dichtere Schneetreiben gingen, fragte ich mich, was ich seinem Herrchen wohl sagen konnte und welche Art von Kompliment unter diesen Umständen angebracht wäre. Das alles war nett und lächerlich zugleich, genauso altmodisch wie die Armaturenbretter alter Autos. Der Himmel färbte sich immer dunkler, nur der helle Schnee zögerte den Einbruch der Nacht noch ein wenig hinaus.
Ich klingelte an der angegebenen Adresse. Die Schönheitdes Hauses
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