Der Fall Sneijder
einen Augenblick in dieser lächerlich andächtigen Haltung, bevor wir uns auf ein Sofa setzten und mit einer Tasse Kaffee in der Hand den Unterricht begannen, der eher einem entspannten Gespräch als einem beschleunigten Ausbildungsgang glich.
»Eines darf man nie vergessen, Monsieur Sadler – dieses Mal habe ich ihn richtig gesagt, oder?«
»Fast. Sneijder.«
»Stört es Sie, wenn ich Sie Paul nenne?«
»Ich glaube, das würde die Dinge vereinfachen.«
»Gut, also was Sie nie vergessen dürfen, Paul, ist, dass Sie ein kleines Vermögen ausführen. An manchen Tagen spazieren über zehntausend Dollar am Ende der Leinen. Lassen Sie also nie einen Hund frei laufen, selbst wenn er Ihnen friedlich und ruhig erscheint. Ich kenne diese kleinen Biester. Sie sindalle gleich, kaum lässt man sie von der Leine, sprinten sie los. Sie behalten sie also in jeder Situation angeleint. Die Wege zeige ich Ihnen später. Es gibt drei. Sie wurden von der Stadtverwaltung angelegt. Weichen Sie nie davon ab. Und dann noch ein wichtiger Punkt: Man darf nur kompatible Hunde zusammenspannen. Es kommt nicht in Frage, drei dominante Rüden im selben Rudel auszuführen oder mit Hunden loszugehen, die sich nicht leiden können. Das passiert manchmal. Aber es ist die Hölle. Ganz abgesehen von dem Risiko, dass die Tiere sich gegenseitig beißen, und von den Prozessen, die die Besitzer daraufhin anstrengen. Man muss also jeden Hund gut kennen und homogene Gruppen mit verträglichen Charakteren bilden. Die Auswahl wird vor dem Losgehen im Hundezwinger getroffen. Wenn es keinen Zank zwischen den Tieren gibt, können Sie sämtliche Größen kombinieren, ob groß oder klein, spielt keine Rolle. Bei einer Gruppenausführung gehen wir nie mit mehr als acht Hunden auf einmal aus, und das auch nur bei hoher Auslastung oder wenn es überhaupt nicht anders geht. Eine gute Zahl liegt bei fünf oder sechs. Ein anderer wichtiger Punkt: Bevor Sie aufbrechen, müssen Sie immer Plastiktüten und Handschuhe mitnehmen. Ich sage es Ihnen ganz unverblümt, sie dienen dazu, die Haufen aufzuheben. Und Sie dürfen mir glauben, die Hunde halten sich nicht gerade zurück. Dies entspricht sogar dem Hauptteil der Arbeit. Sie können sich nicht vorstellen, was für eine Unmenge Exkremente so eine Meute hinterlässt. In dieser Hinsicht gilt: Null Toleranz. Sonst kommen Klagen von den Anwohnern sowie Bußgelder und Verwarnungen von der Stadtverwaltung. Ein anderes Problem sind die flüssigen Hinterlassenschaften. Dafür gibt es Sägespäne, Schaufel undHarke. Ich mache keine Zeichnung. Sie bekommen alles von uns ausgehändigt, samt Handschuhen und Tüten. Im Falle einer Anomalie, etwa einem andauernden Durchfall, Blut oder Würmern im Stuhl, schreiben Sie eine Notiz für den Besitzer. Dasselbe gilt, wenn sich ein Hund merkwürdig und oder aggressiv verhält: eine Notiz schreiben. Wenn Sie ein Tier nach Hause bringen, vergessen Sie nicht, dass der Besitzer dafür extra bezahlt hat, also immer ein kleines Kompliment für den Hund machen, betonen, wie freundlich, wie lebhaft er ist, einfach, was Ihnen einfällt. Letzter Punkt: Ergreifen Sie niemals, egal in welcher Hinsicht, die Initiative, ohne die Einwilligung des Halters zu haben. Paul, darf ich Sie noch etwas fragen?«
»Nur zu.«
»Haben Sie schon einmal Hundescheiße aufgehoben?«
»Noch nie.«
»Darauf hätte ich wetten können.«
Ich hatte in meinem ganzen bisherigen Leben nie meine Finger in so etwas hineingesteckt. Und ich muss gestehen, dass ich nie verstanden habe, wie die modernen Frauen mit ihren vielen Diplomen so verblüffend selbstverständlich, so verwirrend abgeklärt und manchmal sogar mit einer gewissen Eleganz die lauwarmen Zigarren ihrer Lieblinge zwischen die Finger nehmen und hastig in die schwarzen Plastiktüten gleiten lassen konnten, die sie zuvor in weiser Voraussicht um die Leine geknotet hatten. Allein der Gedanke an diese Ernte drehte mir den Magen um, genauso wie mich die Berichterstattung über die Konsistenz der Exkremente entsetzte. Für einen Augenblick schoss mir der Gedanke durch den Kopf, dass es vielleicht weniger demütigend wäre, den Rückwärtsgangeinzulegen und den Scheck der siamesischen Zwillinge zu kassieren.
»Als Erstes werde ich Ihnen zwei ruhige Tiere für einen Spaziergang von einer Viertelstunde anvertrauen. Danach zwei weitere für eine Runde derselben Dauer, und nach Ihrer Rückkehr werden wir gemeinsam ein Gespann von fünf Hunden zusammenstellen, mit dem Sie
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