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Der Fall Sneijder

Der Fall Sneijder

Titel: Der Fall Sneijder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Paul Dubois
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mit einem kleinen Sekundenzeiger, der auf dem Ziffernblatt etwas abseits seinem eigenen Weg folgte. Sie hatte sich wahnsinnig darüber gefreut, und ich erinnere mich, dass sie sie sofort um das rechte Handgelenk gebunden hatte. Diese Uhr habe ich nie zurückbekommen. Weder im Krankenhaus noch im Bestattungsinstitut. Noch von meiner Frau. Niemand hatte sie je gesehen oder erwähnt. Meine Tochter hat sie nur wenige Stunden getragen. Ich fragte mich, wo sie heute wohl sein mochte und welche Zeit sie anzeigte.
    Ich blätterte in meinen Unterlagen und sah mir seitenweise Statistiken an, mit Kurven wie Achterbahnen. Leute in Hochhäuser zu stecken, sie darin zusammenzupferchen war eine Sache. Etwas anderes war es, sie zu befördern. Und zwar schnell zu befördern. Zu vermeiden, dass sie die Kanalisation verstopften. Man musste den Verkehr im Fluss halten. Mit diesem Thema beschäftigte ich mich am Abend und stützte mich dabei auf einen Text, der von Fachleuten und Beratern für Aufzugtechnik verfasst worden war. Sie hatten eine Art Bibel geschrieben, die mit einer Unmenge von Berechnungen und Geboten gespickt war, gegen die man auf keinen Fall verstoßen durfte. So mussten dreißig Prozent der Bewohner eines Hochhauses innerhalb von weniger als fünf Minuten befördert werden können. Um die Wartezeiten und die Häufigkeit des Einsteigens zu berechnen, musste man die Durchschnittsdauer für die Auf- und Abfahrt eines Aufzugs kennen und sie durch die Anzahl aller im Betrieb befindlichen Kabinenteilen. Der Norm zufolge sollten die Fahrgäste nicht länger als dreißig Sekunden warten. Einige Grafiken stellten dar, wie oft eine Kabine, je nach Zahl der Insassen, durchschnittlich halten musste. Bei zehn Personen in einem Fahrstuhl, der zehn Etagen bediente: sechseinhalb Stopps. Bei zehn Personen, die über dreißig Etagen verteilt wurden: neuneinhalb Stopps, und so weiter bis zum Himmelsfirmament. Um die durchschnittliche Dauer einer Fahrt in einem Hochhaus zu berechnen, musste man weitere Parameter einbeziehen wie die Dauer des Ein- und Aussteigens und die Unterbrechungen der linearen Geschwindigkeit, die durch die Beschleunigung und Verlangsamung der Fahrt verursacht wurden. Aus dieser Unmenge von Daten ließ sich am Ende die kritische Schwelle der Befahrbarkeit eines Wohnhauses oder Wolkenkratzers ableiten. Die Zahl, die Größe und die Leistungsfähigkeit der Aufzüge. Einige Fachleute berechneten sogar das Thromboserisiko. Die Genehmigung des Gesamtprojekts hing am Ende davon ab, ob die Schwelle, jenseits derer jedes gemeinsame Leben unmöglich wird, überschritten wurde oder nicht. An diesen Zahlen lag es auch, dass die Turmspitze von Wright noch immer in der Vorhölle von Illinois umhergeisterte. Niemand hatte bislang eine Lösung für diese verrückte Gleichung gefunden: Wohin mit den notwendigen zweihundertfünfundzwanzig gigantischen Gondeln?
    So lebten wir also. In Päckchen von zehn bis dreißig Personen, die befördert und abgeliefert wurden. Wie ein genau abgewogenes Paket folgten wir optimierten Wegen, wobei Zeit und Raum unterschiedlich berechnet wurden, je nachdem ob man Herr oder Diener war. Denn in diesen Wolkenkratzern herrschten, wie im Leben auf der Erde, zwei verschiedeneGeschwindigkeiten, entsprechend den altehrwürdigen Regeln der Aristokratie. Der Angestellte benutzte die gemeinsamen Fahrkabinen, eine Art Omnibus, der je nach Bedarf überall hielt, sofern man den erforderlichen Schlüssel besaß, während den Herren an der Spitze des Hochhauses exklusive Expressaufzüge zur Verfügung standen, die ihre vortreffliche Person ohne Stopp in den Himmel beförderten.
    Diese Fahrstühle werden nie in die Berechnungen der durchschnittlichen Warte- oder Beförderungszeit einbezogen. Sie sind da und sind es auch nicht.
    Ich klappte mein Notizheft wieder zu und sah hinaus in die Nacht. Mein Kopf war leer und mein Körper müde. Von Zeit zu Zeit hörte ich eine leise Stimme in mir flüstern, dass mich die Aufzüge, nachdem sie einen Großteil meines Lebens zerstört hatten, jeden Tag tiefer in den Abgrund rissen. Aber ich sollte nie herausfinden, wer da sprach. Es war ein Uhr morgens. Ich dachte an die Uhr von Marie, die Uhr von Mama.

SIEBEN
    Ich schlief nicht. Ich sah wieder die Frau vor mir, der ich bei Bréguet begegnet war. Sie war die erste Person seit meinem Unfall, die eine Art Lebensimpuls in mir weckte. Anstatt sie mit anhören zu lassen, wie Bréguet meine Hundeaura pries und wie ich mich in eine

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