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Der Fall Sneijder

Der Fall Sneijder

Titel: Der Fall Sneijder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean-Paul Dubois
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Liebe, die er für es hegte, ein zutiefst bewegendes Buch gewidmet. Diese Ode an den Hund mag manchmal überraschen. Etwa, wenn er erzählt, wie er seine Handfläche gegen Tulips Vulva zu pressen pflegte, um ihre Körperflüssigkeiten aufzufangen, wenn sie rollig war, damit er sich ihr verbundener fühlen konnte. Er erklärte, dass er das Tier bis in seine natürlichsten Funktionen hinein liebte.«
    Bréguet nahm Ackerleys Buch von einem kleinen Beistelltisch, blätterte kurz darin herum und wandte sich mir mit einem breiten Lächeln wieder zu.
    »Hören Sie sich nur an, wie er Tulips Darmentleerungen beschreibt: ›Ich erfreue mich immer daran, sie zu betrachten, wenn sie diese Funktion erfüllt. Sie senkt ganz vorsichtig das Hinterteil, bis sie eine Dreifußstellung eingenommen hat. Dann schiebt sie soweit sie kann die Hinterbeine auseinander, um das Fell zu schonen und zu vermeiden, dass die Pfoten schmutzig werden. Ihr langer Schwanz, den sie normalerweise anmutig nach oben biegt, wird kerzengerade und bildeteine parallele Linie zum Boden, sie legt die Ohren an, Hals und Schnauze beugt sie nach vorn, und ein sanfter meditativer Ausdruck legt sich über ihr friedliches Gesicht.‹ Erstaunlich, nicht wahr? Ich erspare Ihnen die Schilderungen der Art und Weise, wie der Mann und seine Hündin einer nach der anderen in Vergessenheit sterben, die Inkontinenz, die Einsamkeit und die Leiden des Alters.«
    Die Freundin, die für diesen Abend offenbar genug gehört hatte, stand auf und begab sich zum Ausgang. Während sie in einen gut geschnittenen Wollmantel schlüpfte, sagte sie: »Ich muss los.« Wir erhoben uns, um uns von ihr zu verabschieden. Mit ihrem um die Taille geschlungenen Gürtel und dem zu einem Knoten zusammengebundenen Haar, aus dem ihr ein paar Strähnen ins Gesicht fielen, erschien sie mir im Halbdunkel der Diele wie eine blendende Schönheit. Kaum hatte sich die Tür hinter ihr geschlossen, ergriff Bréguet meinen Arm:
    »Also, stimmen Sie zu?«
    Das Herz des ehemaligen Autohändlers schlug noch immer in der Brust des Analytikers. Der Powerglide-Lacan erhob sich, und mit dem Kugelschreiber in der einen, dem Vertrag in der anderen Hand versprach er, dass dies das Geschäft meines Lebens wäre, eine niemals wiederkehrende Gelegenheit.
    »Was die Entschädigungssumme angeht, legen Sie den Preis fest. Charisteas hat etwas von hundert Dollar erwähnt, aber ich finde das lächerlich wenig. Insbesondere, wenn Sie wirklich ein Cabrio kaufen wollen.«
    Ich willigte ein, wobei ich betonte, dass die Qualität des Beruhigungsmittels viel wichtiger sei als die Höhe des Honorars.
    »Sie werden den ruhigsten, friedlichsten Tag Ihres Lebens verbringen. Und wissen Sie, warum? Weil ich Ihnen vertraue. Ich habe unsagbares Vertrauen in Sie. Sie werden diesen Hund ganz nach oben aufs Siegertreppchen führen.«
    Nach dem Abendessen verbrachte ich einige Zeit mit meiner Tochter. Ich dachte wieder an unsere letzte Unterhaltung im Café am Morgen vor dem Unfall. Wir hatten uns über Implantologie unterhalten, einen chirurgischen Eingriff, der in den fünfziger Jahren von einem schwedischen Chirurgen optimiert worden war und der darin bestand, in mehreren Etappen Titanimplantate im Kieferknochen zu verankern, auf denen man anschließend Keramikzähne befestigte. Ich habe nichts vergessen, weder ihre Ausführungen noch den Klang ihrer Stimme. Das alles schwirrt mir noch im Kopf herum. Ich erinnere mich sogar noch daran, dass sie diesen merkwürdigen französischen Ausdruck »mise en nourrice« verwendete, der die Einheilungsphase nach der ersten Implantation bezeichnet. Was für ein merkwürdiges Thema für eine letzte Unterhaltung. Anstatt meiner Tochter zu sagen, wie sehr sie immer im Zentrum meines Lebens gestanden hatte, dass ich mich mit ihrer Abwesenheit nie hatte abfinden können und in jeder Stunde ohne sie den Qualen meiner Feigheit ausgesetzt gewesen war, dass mir die Hände genauso gezittert hatten wie am Tag ihrer Geburt, als ich sie vom Flughafen abgeholt hatte – anstatt ihr all diese Dinge zu sagen, sie mit Tränen in den Augen anzusehen und an mich zu drücken, hatte ich sie mit einer gewissen Distanz über den chirurgischen Geistesblitz des Dr. Per Ingvar Bränemark ausgefragt. Was gesagt war, war gesagt.
    An jenem Morgen im Café hatte ich Marie meine Uhr vermacht. Es war kein kostbares Schmuckstück, aber meine Mutter hatte sie über viele Jahre getragen. Es war die Marke Edma, ziemlich maskulin vom Design,

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