Der Fall Sneijder
versehen.
»Bréguet möchte Sie sehen. Er hat vorhin angerufen. Er möchte eine Antwort wegen des Wochenendes. Er macht sich deswegen Sorgen. Nun, Sie können miteinander darüber diskutieren. Er ist ein netter Kerl, Sie werden sehen. Er ist Psychiater.«
Watson, der vom Lebenssaft der ganzen Erde durchströmt zu sein und ständig unter hoher elektrischer Spannung zu stehenschien, wirbelte auf seinen kleinen krummen Beinen durch den Schnee und fand den Rhythmus des Spaziergangs immer zu langsam. Dieser junge Rüde gehörte offenbar zu der Sorte von unermüdlichen Hunden, die zeitlebens damit beschäftigt waren, ihren Überschuss an Energie zu verbrennen und blitzschnell wie ein Gewehrschuss loszurennen. Ein solches Tier an der Leine zu führen, einen derartigen Übermut bremsen zu müssen, grenzte an Häresie. Charlie hingegen, eine ausgeglichene Hündin, behielt ihren regelmäßigen Rhythmus bei, trotz der Anläufe und Drängeleien des jungen Mischlings, der vermutlich nur ein Drittel ihrer Größe und ihres Gewichts hatte.
»Sie bringen ihn immer später.«
Cudmore behandelte mich mit derselben Ungezwungenheit und schlug mir gegenüber einen ähnlich verächtlichen Ton an wie gegenüber seinem Hund.
»Haben Sie einen Termin vereinbart?«
»Was für einen Termin?«
»Verdammt, ich habe Sie doch gestern Abend gebeten, sich wegen dieses Tiers an einen Verhaltenstherapeuten zu wenden, haben Sie das getan oder nicht?«
»Ich habe Ihre Nachricht an Monsieur Charisteas weitergeleitet.«
»Ja und?«
»Ich nehme an, er hat alles Nötige in die Wege geleitet.«
»Das nehmen Sie also an. Das beruhigt mich aber. Jetzt hören Sie mir mal gut zu: Sagen Sie dem Kerl, dass er morgen von mir hört, wenn ich diesen verfluchten Termin nicht bekomme.«
Die schwere Holztür knallte so heftig zu, dass sich einStück der Schneedecke vom Vordach löste und Charlie direkt vor die Pfoten fiel. Jeder andere Hund hätte einen Satz nach hinten gemacht oder wäre zur Seite gesprungen. Doch sie begnügte sich damit, den Kopf zu heben, um nachzusehen, woher der Haufen kam, dann wandte sie sich mir zu, mit einem Gesichtsausdruck, der zu sagen schien: »Wann immer du bereit bist.«
Und so wiederholten wir unseren weißen Spaziergang. Dieses Mal war die Nacht hell, ohne Wind, der Mond schien, und der Wald hatte sein Geheimnis verloren.
Es war genau dort. An der Stelle, wo der Weg eine Kurve beschrieb, bevor er etwas weiter hinten auf eine Lichterkette entlang der Häuser zustrebte. Ich suchte im Schnee nach den Spuren meines Kniefalls, aber der Wind und die Spaziergänger hatten alles verwischt. Nach ein paar weiteren Schritten setzte ich mich auf einen Stein. Die Hündin kam näher und blickte auf den Weg, als wollte sie bestätigen: »Es war genau dort.«
Gleich bei unserer Begegnung war mir Jean Bréguet als das komplette Gegenteil des rüpelhaften Cudmore erschienen. Dieser Mann, den ich gestern zum ersten Mal und auch nur ganz kurz gesehen hatte, nachdem ich aus meiner Phase der Prostration erwacht war, begrüßte mich, als wären wir seit Jahren befreundet. Er stellte mir eine verführerische Frau als seine Freundin vor und lud mich ein, in seinem Salon Platz zu nehmen, obwohl ich gekleidet war wie ein Förster. Er besaß eine natürliche Freundlichkeit, die an diesem Abend jedoch, gewiss wegen des Gefallens, um den er mich gleich bitten würde, ein wenig aufgesetzt wirkte.
»Es freut mich außerordentlich, Ihre Bekanntschaft zu machen. Ich hätte Sie gern schon gestern hereingebeten, aber Sie schienen in Eile zu sein. Sie wissen wahrscheinlich, dass Charisteas sich vor Lob über Sie geradezu überschlägt. Er hat mir erzählt, wie gut Sie mit Hunden umgehen können.«
»Ich halte das für maßlos übertrieben.«
»Nein, das ist seine ausdrückliche Meinung. Jedenfalls weiß ich, dass er Ihnen von meinen Plänen für kommenden Sonntag erzählt hat. Also, wie sieht es aus?«
»Ich habe das noch nie im Leben gemacht und kenne mich mit Hunden überhaupt nicht aus.«
»Das hat Charisteas auch gesagt. Aber die Hündin hat auch noch nie an einem Wettbewerb teilgenommen. Er hat mir hingegen versichert, dass er noch nie jemanden mit einem solch positiven Einfluss auf Hunde gesehen hat wie Sie. Und er hat mir von Ihrem Spaziergang mit dem Akita erzählt, Julius, stimmt’s? Einfach unfassbar. Und Sie können mir glauben, ich kenne den Hund gut.«
»Es gibt sicherlich Dutzende von Handlern, die kompetenter sind als ich und
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