Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hausen
Vom Netzwerk:
in die Wiege und trat hinter Mathilde. Er legte ihr seine Hände auf die Schultern und streichelte ihren Nacken. Sie lehnte sich an ihn und sagte: „Ich fürchte mich, nach Kopenhagen zurückzukehren. Aber wir müssen es wohl.“
    „Ja“, antwortete er nur und küsste sie auf den Hals. Wenig später saßen sie an der langen Tafel, auf der die Silberbestecke und die Kristallgläser im Licht der Kerzen funkelten. Es roch nach Braten, Burgunder und Parfüm. Das bunt bemalte Porzellan war mit erlesenen Speisen gefüllt. Die Geigen spielten die verschnörkelten Klänge eines Menuetts. Man unterhielt sich angeregt und das helle Lachen der Damen schwebte silbern im Raum. Der König unterhielt sich während des Essens ganz ruhig mit seinem ehemaligen Lehrer Reverdil. Plötzlich nahm er eine Zitrone vom Tisch, warf sie Brandt ins Gesicht und kreischte: „Coujon! Elende Kanaille! Das wirst Du mir büßen.“ Struensee sagte zu Christian: „Majestät, Brand hat doch nur getan, was Sie wollten. Warum beschimpfen Sie ihn?“
    „Er hat mich gebissen. Er sollte aber nur mit mir raufen, ich hätte ihn schon niedergerungen.“ Er lachte laut und schrill. Dann beruhigte er sich unversehens und aß von seinem Dessert. Bevor die Tafel aufgehoben wurde, stand er auf, verbeugte sich vor Struensee und sagte zur Tischrunde: „Ich freue mich, den König von Preußen unter uns begrüßen zu dürfen.“
    Auf Schloss Fredensborg saß Königinwitwe Juliane Marie wie eine Spinne im Netz der Verschwörer. Ihr würde es letztlich zufallen, den entscheidenden Biss mit dem tödlichen Gift auszuführen. Vom Leben enttäuscht, immer die Zweite, Zielscheibe der boshaften Bemerkungen ihres ungeliebten Stiefsohns, fiel ihr fast automatisch die Rolle der Rächerin zu. Sie war Aristokratin durch und durch, ihr Gesicht unter den weiß gepuderten, hochfrisierten Haaren, mit den kühnen schwarzen Strichen der Augenbrauen war energisch und hatte einen herablassenden Ausdruck.
    In ihrer konservativen monarchischen Einstellung lehnte sie Struensee als bürgerlichen Parvenü ab, der nicht einmal vor dem Bett einer Königin haltgemacht hatte. Hinter ihr stand fast unsichtbar ein mausgrauer Frömmler, Owe Guldberg, Sekretär und Erzieher ihres Sohnes Friedrich. Diesem Mann fehlte jede Brillanz, niemand wäre auf die Idee gekommen, dass er so etwas wie Ehrgeiz besitze. Er war etwa vierzig Jahre, untersetzt, mit breiten Schultern, roten Haaren und einem großen Kopf. Er kleidete sich stets bürgerlich in einen braunen Frack, grobe Schuhe und gestrickte Strümpfe. Er war das große Ohr Julianes, das alles in sich aufnahm: Klatsch, Lügen und Tatsachen.
    Juliane empfing ihren Sekretär in ihrem Turmzimmer mit der gelben französischen Garnitur und hörte sich, reglos aus dem Fenster schauend, seinen Bericht an. „Die allgemeine Stimmung im Volk könnte nicht schlechter sein. Der Adel ist ärgerlich, weil er seinen Einfluss verliert; die Geistlichkeit ist unwillig, da sie den Staat einem gottlosen Freidenker überantwortet sieht; die Beamten, die Struensee ohne viel Federlesens entlassen hat, sind wütend; den Gutsherren graut es vor der Agrarreform; viele adlige Offiziere sind unzufrieden, weil sie durch Auflösung der kostspieligen Garden ihre Privilegien verlieren; viele Kopenhagener Handwerker sind zornig, denn sie sind durch die Schließung der angeblich unrentablen Luxusmanufakturen arbeitslos geworden. Und die Armen, denen er helfen will, merken nichts von den positiven Auswirkungen, die die Reformen für sie haben sollen, auch wenn es Struensee gelungen ist, den Staatshaushalt zu sanieren und die Schulden drastisch abzubauen. Die neueste Idee des Ministers ist, eine leer stehende Kapelle in ein Spital umzuwandeln für Leute, die an der französischen Krankheit leiden. Das muss man sich mal vorstellen!“ Guldberg hüstelte nervös.
    Juliane wandte sich um und sagte: „Ich traue Graf Rantzau nicht. Immerhin hatte er bei der Ermordung eines Zaren seine Hand im Spiel. Auch kann man sich nicht sicher sein, auf welcher Seite er eigentlich steht. Schließlich gilt er als enger Vertrauter Struensees.“ Guldberg zuckte mit den Schultern. „Sein doppeltes Spiel hilft uns, Struensee weiterhin in Sicherheit zu wiegen. Ich glaube nicht, dass es in seiner Vorstellung liegt, sein alter Freund könnte sich gegen ihn wenden. Im Übrigen sind wir inzwischen fünfzig eingeschworene Leute.“
    „Das sind fast schon zu viele. Letztlich kommt es auf den König an. Darauf,

Weitere Kostenlose Bücher