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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hausen
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Traurigkeit.
    „Endlich“, seufzte Lurdorph. Er nahm seine Assistenten beiseite und beriet sich mit ihnen im Flüsterton. Dann wandte er sich wieder an den Angeklagten: „Graf Struensee, Sie werden begreifen, dass ein einfaches mündliches Geständnis nicht genügt. Was wir brauchen, sind Einzelheiten. Erzählen Sie uns alles. In Anbetracht der privaten Natur Ihres Geständnisses will ich keinen Schreiber rufen lassen. Rat Bram kann alles niederschreiben.“ Bram tauchte die Feder ins Fass und Struensee erzählte die Geschichte seiner Liebe, anfangs zögernd, dann rascher, immer rascher, sodass Brams Feder kaum zu folgen vermochte.

10. Das Geständnis
    Im Spätsommer 1769 erhielt Struensee vom König den Auftrag, seine erkrankte Gemahlin, der andere Ärzte nicht helfen konnten, zu untersuchen. Mathilde mochte den Günstling ihres Mannes nicht, obwohl oder weil ihre Hofdamen von ihm schwärmten. Fräulein von Eyben führte Struensee in das Schlafzimmer der Königin. Es war ein wundervoller Augusttag. Die Fenster waren weit geöffnet und von draußen kam ein warmer Wind, beladen mit dem Duft nach frisch gemähtem Gras. Zwei Zofen standen mit neugierigen Gesichtern in einer Ecke des Raums.
    Die Königin saß aufrecht im Bett, die Beine unter der leichten, seidenen Decke angewinkelt. Ihr Haar war hochfrisiert, aber ungepudert in seiner natürlichen hellblonden Farbe. Sie trug ein dünnes Gewand. Ihre blauen Augen blickten empört und erregt. „Doktor Struensee“, meldete Fräulein von Eyben.
    „Guten Morgen, Herr Doktor“, sagte die Königin mit einem abweisenden Lächeln, „ich sehe, Sie haben keine Zeit verloren, dem Befehl des Königs Folge zu leisten.“
    „Guten Morgen, Majestät“, er verbeugte sich tief, „es war die Besorgnis um Madames Gesundheit, die mich eilen ließ.“ Struensee ignorierte die abwehrende Kälte der Königin und konzentrierte sich auf seine Diagnose. „Was sind Ihre Beschwerden, Madame“?
    Mathilde zuckte mit den Schultern.
    „Fühlen Sie sich fieberhaft?“
    „Nein.“
    „Sind Sie müde?“
    Mathilde lehnte sich in ihre Kissen zurück und seufzte.
    „Ich fühle mich matt, ja. Gelangweilt. Des Lebens überdrüssig.“ Struensee fühlte ihr den Puls, klopfte ihren Rücken ab und untersuchte ihre Zunge. Dann sah er sie nachdenklich an. „Ihnen fehlt weiter nichts. Aber woher kommt dieser Überdruss?“
    „Ich bin nichts als eine mechanische Puppe, die mit dem Kopf nickt und tanzt, wenn man sie aufzieht. Mich ekelt einfach alles an. Diese Bewegung im Leeren! Bälle, Tänze, Spaziergänge, die nie zu etwas anderem führen als zu neuen Bällen, Tänzen, Spaziergängen, Empfängen und Bootsfahrten. Die Puppe hat es satt, weiter mit dem Kopf zu nicken und liebenswürdig lächelnd leere Floskeln an Menschen zu richten, die sie gar nichts angehen.“ Struensee zog die Augenbrauen hoch und meinte scherzhaft: „Ich verspreche Ihnen, ich werde Sie nicht aufziehen. Die Puppe rebelliert. Das ist gut. Ein erstes Anzeichen ihrer Gesundung.“
    „Ah, Sie sind ein Seelenkenner“, sagte Mathilde mit schiefem Lächeln. „Aber nun bitte ich ernsthaft um Ihren ärztlichen Rat, Doktor. Hoffentlich verschreiben Sie mir keine Pillen oder bitteren Getränke.“
    „Ich verschreibe Ihnen ein Pferd, Madame.“
    „Ein Pferd?“, Mathilde lachte. „Ja, reiten Sie aus. Kennen Sie Ihr Land, Madame? Kennen Sie die Waldwege von Klampenborg? Die Heide, die Dörfer, die Landseen an einem Sommermorgen? Das alles wartet auf Sie.“ Er machte eine Handbewegung zum Fenster.
    „So wie Sie das sagen, macht es direkt neugierig. In England bin ich immer viel geritten. Aber ich möchte im Herrensattel reiten.“
    „Wie Madame belieben. Auch ein bequemes Reitkleid statt der Hofgarderobe ist anzuraten.“
    Mathildes Augen begannen zu glänzen: „Da wird die Puppe aber Aufsehen erregen.“
    „Das wird sich mit der Zeit legen.“
    „Gut“, sagte sie schelmisch, „unter einer Bedingung: Sie müssen mich begleiten.“
    So ritten Struensee und Königin jeden Morgen hinaus aufs Land und Mathilde erschloss sich die Welt neu. Sie hatte sich zuvor abgefunden mit ihrer öden Existenz, in der sie der Etikette und der Oberflächlichkeiten des höfischen Lebens unterworfen war.
    Der Duft, der Wald, das Rauschen, die Bewegung des Pferdeleibs unter ihr, der Sommerwind, der ihr in die Haare fuhr, waren mächtig und wohltuend, sie wurden zu einem Zauberschlüssel, der ihre Seele öffnete. Und herein strömte die wundervolle

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