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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Hausen
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irgendetwas in ihm machte sich über seine Überlegungen lustig. An einem frühen Nachmittag spazierten Struensee und die Königin schweigsam nebeneinander im Garten der Rosenborg. Mathilde fühlte sich bedrückt. Nur mühsam kam ein Gespräch in Gang. Struensee blieb unvermittelt stehen und sah Mathilde an. Er ergriff ihre Hand. Dann zog er sie an sich und küsste sie. Ihr Mund war halb geöffnet und nahm seinen Kuss entgegen. Er drückte sie enger an sich, sog gierig den Duft ihrer Haut ein und spürte ihre Brüste am Aufschlag seines Rocks.
    Er zog sie in einen Pavillon, der von Rosen umrankt war. Ein kleines Versteck, in dem sie einander ungehindert und unbeobachtet ansehen und berühren konnten. Ein Taumel von Lust und Verlangen ließ alle Bedenken und die letzte Spur von Zurückhaltung schwinden und sie versanken in einem warmen Meer der Gefühle, die so mächtig waren, dass sie ihr Bewusstsein nahezu auflösten. Mathilde erlebte dieses Wunder zum ersten Male, die letztmögliche körperliche Berührung zwischen Mann und Frau. Dann lag sie an seiner Brust und lauschte dem leiser werdenden Echo ihrer Empfindungen. Nach einer Weile sagte Struensee: „Wir müssen zurück, Liebste.“ Sie seufzte. „Wir sollten verreisen. Irgendwohin, wo niemand uns kennt, in dem es keinen Staatsrat gibt, keine Etikette, kein Hofzeremoniell, nur wir beide.“
    „Graf Holck war da“, sagte der König am nächsten Morgen zu Struensee und schaute zum Fenster hinaus in den Regen, der plötzlich eingesetzt hatte. Der Kabinettsrat antwortete nicht. „Holck meint, eine Reise würde mir guttun.“ Struensee lächelte ironisch und antwortete: „Auch wenn Holck nicht Ihr Arzt ist, Sire, aber er hat recht. Eine kleine Fahrt nach Holstein, ja – das würde ich Ihnen auch anraten.“ Christian wandte sich vom Fenster ab und fragte verwundert: „Mit Holck?“
    „Nicht mit Holck“, warf Struensee rasch ein. „Zumindest nicht mit ihm allein.“
    „Zusammen mit ihr? Der Königin?“ Ja, dachte er, sie soll mit ihm fahren, dann wird dieser hoffnungslose Irrsinn, der mir den Schlaf raubt, zu Ende sein. „Ja“, sagte er mühsam und lächelte gequält. Christian drückte die Hand des Arztes und bat: „Und du kommst auch mit, mein Freund.“ Es dauerte zwei verworrene Atemzüge, bevor Struensee antworten konnte: „Es wäre mir eine Freude, aber ich muss hier bleiben. Die Kranken.“
    „ Die Kranken! Ich wünsche, dass du mitkommst. Du bist mein Leibarzt. Ich bin auch krank, oder nicht?“, rief Christian mit verhaltenem Zorn in der Stimme. Struensee verneigte sich und sagte: „Sire. Natürlich werde ich Sie begleiten, wenn Sie es befehlen.“ Und es war ihm auf einmal leicht ums Herz.
    Als erstes fuhren sie zum Schloss Gottorf bei Schleswig, wo Christians Schwester Louise mit ihrem Gemahl Karl von Hessen residierte. Die Einfahrt war von mächtigen Kastanien gesäumt und die weiß gestrichene Fassade gleißte im Sonnenlicht. Und um das Schloss herum befanden sich Wassergräben, Flüsschen, Gärten, dahinter Wald und Wiesen. Mathilde gab sich fröhlich und burschikos. Erstaunt beobachtete Louise diese Veränderung bei ihrer Schwägerin.
    Die Königin streifte sich Männerkleidung über, schwang sich in den Sattel und ritt mit Christian und ihrem Kabinettssekretär in den Sommermorgen hinaus. Sie waren lachende Naturkinder, die höfischen Zwang und Etikette hinter sich ließen und sich abends gegenseitig aus den Werken von Rousseau vorlasen. Häufig erfüllte Struensees wohlklingende Stimme den Salon, wenn er die Umsetzung von Rousseaus Ideen erläuterte, und die anderen hörten zu, der König beeindruckt, die Königin hingerissen.
    „Alle Menschen, die sich aus der großen Gesellschaft zurückziehen, sind gerade deshalb nützlich, weil sie sich aus ihr zurückziehen, da alle ihre Laster eben daher stammen, dass sie zu zahlreich ist. Sie sind auch dadurch nützlich, dass sie in die abgeschiedenen Orte Leben, Kultur und die Liebe zu ihrem ursprünglichen Zustand mitbringen.“ Nach diesem Zitat von Rousseau erwachte ein lebhaftes Gespräch und die Stunden verflogen im Nu. Abends zog man sich zeitig zurück, denn am nächsten Morgen wollte man wieder früh hinaus in die Natur. Wenn es im Schloss still wurde, schlich Struensee auf Zehenspitzen den Gang hinunter, zum Schlafzimmer der Königin, die ihn voller Sehnsucht erwartete.
    Holck war verstimmt. Er wurde von vielen Ausflügen ausgeschlossen. Mathilde hatte Christian unmissverständlich

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