Der Fall Struensee
Ihrer Handlungen zu verhüllen?“
„Ich schwöre, dass ich das Beste für Dänemark im Auge hatte, aber ich brauchte als Minister auch Geld für meinen Unterhalt, ich habe schließlich kein Vermögen und keine festen Einkünfte“, antwortete Struensee matt.
„Außerdem gibt es da noch eine merkwürdige Sache. Sie haben sich eine Brillantbrosche der Königin angeeignet und sie für 40 000 Taler verkauft. Ich nehme an, dass Sie das auch nicht als Selbstbereicherung ansehen“, fuhr Lurdorph fort.
„Das war es auch nicht! Die Königin gab sie mir nach der erfolgreichen Impfung des Kronprinzen, nicht etwa als Belohnung, sondern um meine ärztlichen Bemühungen zu unterstützen. Ich habe eine umfassende Schutzimpfung in Kopenhagen durchgeführt. Ich verkaufte die Brosche, um mit dem Geld die Kosten dafür zu decken.“
Es war bereits neun Uhr abends und draußen war es stockdunkel, als Lurdorph an dieser Stelle das Verhör abbrach. Struensee wurde zurück in seine Zelle gebracht, ihm wurden die Ketten angelegt. Hungrig aß er seine Wassersuppe. Er fühlte sich völlig erschöpft. Dennoch konnte er nicht schlafen. Unruhig wälzte er sich, von seinen Fesseln geplagt, auf dem Strohsack hin und her. Glieder und Gelenke schmerzten. Er grübelte. Sie hatten es darauf abgesehen, ihn als Hochverräter hinzurichten, daran konnte kein Zweifel mehr bestehen. Wie sollte er sich von diesen Vorwürfen befreien, wenn alles, was er getan hatte, in den Schmutz getreten und zu seinem Nachteil ausgelegt wurde?
Am nächsten Morgen war er bleich und übernächtigt. Um seine Mundwinkel und Augen zuckte es, er war nervös, beruhigte sich aber etwas, als er wieder ohne Ketten in dem bequemen Sessel vor seinem Inquisitionstribunal saß.
„Heute wollen wir auf die Erziehung des Kronprinzen zu sprechen kommen“, begann Lurdorph das Verhör und führte alles auf, was die Empörung der Höflinge wachgerufen hatte. Das viele Baden des Kindes in kaltem Wasser, seine mangelhafte Bekleidung, das Barfußgehen, sein Schlafen bei offenem Fenster, das einfache Essen, der Mangel an Bedienung, die bäurischen Spielgefährten. Sie müssen zugeben, Graf Struensee, dass dies eine seltsame Maßnahmen sind für einen Prinzen.“
„Es ist eine moderne Erziehung, die das Wohl des Knaben im Auge hat, nicht die Vorurteile der Welt. Der große Philosoph Rousseau hat eine Unterweisung empfohlen, die Kinder geistig und körperlich selbstständig und gesund macht. Der Kronprinz hatte eine schwächliche Konstitution und viel Eigensinn. Er schrie oft, wollte nicht gehen, sondern immer getragen werden. Der Erfolg meiner Maßnahmen ist, dass der Prinz stark und gesund ist, er ist nur ganz selten krank gewesen. So hat Seine Königliche Hoheit auch die Inokulation der Blattern mit Leichtigkeit überstanden. Er kleidet sich selbst an und aus, kann die Teppen ohne Hilfe auf-und absteigen, weiß sich in acht zu nehmen, ist nicht furchtsam oder schüchtern, weder eigensinnig noch verzogen. Wenn ich selbst ein Kind hätte, würde ich es genau so erziehen.“
Die Assistenten Wind und Bram sahen sich an und grinsten anzüglich. Lurdorph entgegnete: „Die Einfälle Rousseaus sind unerprobt. Sie hatten kein Recht, den Prinzen zu dem Experiment der Überprüfung dieser Ideen zu benutzen. Dafür ist der Thronfolger eines Landes eine zu wichtige Persönlichkeit.“
„Ich tat es mit Einverständnis der Königin und mit Billigung von Dr. Berger.“
„Na ja, zu Ihrem Verhältnis zur Königin kommen wir noch“, sagte Lurdorph wegwerfend. Struensee klammerte sich an die Sessellehne, er musste an sich halten, um nicht aufzuspringen. Entsetzen breitete sich in ihm aus bei dem Gedanken, dass auch dies hier zur Sprache kommen sollte. „Beschäftigen wir uns als nächstes mit dem Verbrechen des Grafen Brandt.“
„Brandt ist auch angeklagt?“, entfuhr es Struensee. Ihm begannen die Hände zu zittern und er krampfte sie ineinander. „Allerdings“, sagte Lurdorph, „es dürfte Ihnen bekannt sein, dass Ihr Freund den König attackiert und ihm dabei körperlichen Schaden zugefügt hat.“
„Ist er auch im Gefängnis?“, fragte Struensee fassungslos. „Selbstverständlich“, sagte Lurdorph, “er hat gestanden und bereut seine Handlung.“
„Aber das Ganze ist doch nicht ernst zu nehmen. Der König verlangte von den Männern in seiner Umgebung, sich im Faustkampf mit ihm zu messen. Er hatte Vergnügen daran. Brandt weigerte sich lange. Dadurch fühlte sich der König
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